Keine neue Theorie ohne Widerspruch, kein Modell ohne Gegenmodell – das ist auch und gerade in der Kosmologie so. Es ist daher kein Wunder, dass die klassische Urknall-Theorie zunächst nicht ohne weiteres angenommen wird.
Steady-State statt Urknall?
Einige Kosmologen sperren sich gegen den Gedanken eines Uranfangs, andere versuchen, neue astronomische Erkenntnisse mit dem alten, statischen Weltbild zu vereinbaren. Die historisch bedeutendste Alternative zur Urknall-Theorie ist das 1948 von dem britischen Physiker Fred Hoyle aufgestellte „Steady-State-Modell“. Nach dieser ist das Universum ewig, unendlich und im Großen und Ganzen unveränderlich.
Um die von Edwin Hubble nachgewiesene Ausdehnung des Kosmos auszugleichen, entsteht fortwährend neue Materie im Raum – aus einem ominösen, unbekannten Feld heraus. Der Materie-Nachschub soll dabei aber so gering sein, dass er im Prinzip nicht nachweisbar ist – nur etwa ein Wasserstoff-Atom pro Kubikmeter und Jahrmilliarde.
Das Problem der Quasare
Hoyles Theorie kommt zunächst gut an, denn die Urknall-Hypothese ist vielen Kosmologen und Physikern suspekt und lässt sich – zunächst – nicht beweisen. In den 1960er-Jahren jedoch enthüllen Himmelsbeobachtungen mit Radio-Teleskopen etwas, das absolut nicht zum Steady-State-Modell passen will:
Radiogalaxien und Quasare finden sich nur im fernen Universum, nicht aber in der kosmischen Nachbarschaft der Milchstraße. Das spricht dafür, dass diese Phänomene nur bei sehr alten Sternenansammlungen auftreten. Wäre das Universum aber unveränderlich, dann müsste es diese Art der aktiven Radioquellen überall gleich häufig geben – und nicht nur in den fernsten und damit ältesten Bereichen des Alls.
Hintergrundstrahlung als „Sargnagel“
Und noch ein Widerspruch zum Steady-State-Modell taucht 1964 auf: die kosmische Hintergrundstrahlung. Sie wird von den US-Forschern Arno Penzias und Robert Wilson quasi durch Zufall entdeckt, als sie eine neue Radioantenne ausprobieren. Dabei stellen sie fest: Egal wohin der Radiodetektor zeigte – immer ertönte ein seltsames Summen, eine Art Grundrauschen.
Zunächst halten die Radioastronomen diese langwellige Strahlung für einen bloßen Störeffekt der Antenne, aber sie finden trotz monatelangem Suchen keinen Grund dafür. Erst als Kosmologen auf diesen seltsamen Strahlungsüberschuss aufmerksam werden, kristallisierte sich heraus: Das Phänomen ist real. Es muss sich um ein Relikt aus der Frühzeit des Universums handeln – eine Art Nachglühen des Urknalls.
Damit ist klar: Hoyles Vorstellung eines ewigen Universums ist nicht haltbar. Stattdessen spricht alles für Lemaitres Modell eines Urknalls. Die Entdeckung der Hintergrundstrahlung ist damit der finale Sargnagel für die Steady-State-Theorie, wie es der britische Kosmologe Stephen Hawking einmal ausgedrückt haben soll.
Wie „Big Bang“ seinen Namen bekam
Es ist schon fast eine Ironie des Schicksals, dass der Urknall – im Englischen „Big Bang“ – seinen Namen ausgerechnet von Hoyle erhielt, einem seiner größten Kritiker. Anlass dafür war ein Interview, das Hoyle 1949 beim britischen Radiosender BBC3 gab. Er erklärte darin erst sein Steady-State-Modell und dann Lemaitres-Theorie.
Diese umschrieb er so: „Eine Hypothese, nach der alle Materie des Universums in einem Big Bang zu einer bestimmten Zeit in der fernen Vergangenheit geschaffen wurde.“ Eigentlich machte Hoyle im weiteren Verlauf des Interviews sehr deutlich, dass er von dieser Urknall-Hypothese nicht viel hielt. Aber das änderte nichts: Der Begriff „Big Bang“ war so eingängig, dass er hängen blieb – bis heute.
Nadja Podbregar
Stand: 01.04.2016