Wer war Pedanios Dioskurides? Diese Frage können Historiker heute nur unzureichend beantworten. Denn so sehr der griechische Arzt mit seinem Werk viele nach ihm geprägt hat, so oft er auch zitiert und kommentiert worden ist: Über sein Leben ist kaum etwas überliefert. Wir wissen darüber nur so viel, wie Dioskurides selbst in seinen Schriften mitteilt.
Ausbildung zum Militärarzt
Demnach lebt Dioskurides im ersten Jahrhundert nach Christus und stammt aus Anazarbos in Kilikien – einer Landschaft in Kleinasien, die damals römische Provinz ist. Er ist ein Zeitgenosse des Gelehrten Plinius des Älteren und dient unter Kaiser Nero als Militärarzt.
Schon von Jugend auf begeistert sich Dioskurides offenbar für die Naturwissenschaften – eine Karriere als Mediziner scheint da naheliegend. Wo er seine medizinischen und pharmazeutischen Kenntnisse erwirbt, bleibt Spekulation. Wahrscheinlich ist jedoch, dass Dioskurides in Tarsos ausgebildet wird.
Durch ihre günstige geografische Lage kommt der Hafenstadt damals wirtschaftspolitische Bedeutung zu. Über den Fluss Kydnos ist sie vom Mittelmeer aus gut zu erreichen. Die Stadt ist nicht nur Amtssitz des römischen Statthalters, sondern auch eine wichtige Station auf der Handelsstraße, die vom syrischen Antiocheia zur ägäischen Küste Kleinasiens führt. Unter diesen Bedingungen blühen neben Politik und Wirtschaft auch das kulturelle und geistige Leben auf: Tarsos wird zum bedeutendsten Zentrum botanisch-pharmakologischer Forschung im Römischen Reich.
Weite Reisen liefern Anschauungsmaterial
Während seiner militärischen Laufbahn als Arzt reist Dioskurides offensichtlich viel und sieht zahlreiche Länder, wie er in der Vorrede zu seinem möglicherweise einzigen Werk „De Materia Medica“ schreibt. Gut möglich, dass er auf den weiten Reisen auch viele jener Pflanzen zu Gesicht bekommt, die er später in seine Schrift über Arzneimittel aufnimmt.
Die als Heilmittel in Frage kommenden Substanzen überprüft er vielleicht auch in klinischen Versuchen auf ihre medizinische Wirkung hin. Zumindest aber legt er als Praktiker besonderen Wert auf eine möglichst umfassende eigene Anschauung – eine Tugend, die er bei anderen Autoren pharmazeutischer Literatur vermisst. Diese hätten „das Meiste nach der Erzählung aufgezeichnet“ kritisiert er in der Vorrede seines Werks, die er seinem Freund und Kollegen Areios widmet. Was hier allerdings schlicht rhetorisches Mittel und was Fakt ist, bleibt Dioskurides Geheimnis.
Karriere als Bestsellerautor
Klar ist: Als Dioskurides seine „De Materia Medica“ schreibt, bedient er sich auch aus den Schriften seiner Vorgänger. Das Einbauen von schon Bekanntem, auch ohne die Quelle ausdrücklich zu nennen, ist in der Antike jedoch nichts Verwerfliches, sondern durchaus gewollt und akzeptiert.
Sein umfassendes Werk wird schließlich zu einem Riesenerfolg. In der von Unsicherheiten und Lücken geprägten Biografie des Dioskurides ist das wohl die einzige historisch sicher belegte Tatsache.
Daniela Albat
Stand: 18.03.2016