Krebs ist heute eine der führenden Todesursachen weltweit: Jeder dritte Mann und jede fünfte Frau erkrankt irgendwann an Krebs. Hat sich jedoch erst einmal ein Tumor gebildet, beginnt der lange, mühselige Kampf gegen die entarteten Zellen. Meist gelingt es nur mit brachialen Mitteln wie einer Bestrahlung, giftigen Chemotherapeutika und einer Operation, ein Weiterwuchern des Krebses zu verhindern und den Tumor zu beseitigen.
„Die Krebszelle muss verzichten“
Doch wie sich vor kurzem zeigte, könnte auch hier das Fasten zumindest Hilfe leisten. „Für jede Mutation und jedes Anschalten eines Onkogens muss die Krebszelle auf etwas verzichten“, erklärt Valter Longo von der University of Southern California. Denn das ungezügelte Wachstum der entarteten Zellen beansprucht Ressourcen und Stoffwechselwege, die sonst anderen Zellvorgängen zugute kämen. „Und eines dieser Dinge ist höchstwahrscheinlich die Fähigkeit, mit ungünstigen Bedingungen umzugehen“, so der Forscher.
Das aber bedeutet, dass Krebszellen einen Mangel an Nahrungsnachschub möglicherweise schlechter vertragen als normale Zellen. Ob das stimmt, haben Longo und seine Kollegen 2012 in einer Studie mit Mäusen untersucht. Dafür pflanzten sie den Tieren zunächst verschiedene menschliche Krebstumore ein, darunter Brustkrebs, Eierstockkrebs und Melanome, aber auch Hirntumore wie Gliome und Neuroblastome.
Schon Fasten allein bremst den Krebs
Sobald diese eingewachsen waren, erhielten einige der Mäuse 48 Stunden lang nur Wasser, aber kein Futter, dann fünf Tage lang normales Futter. Nach einem oder zwei solcher Fastenzyklen untersuchten die Forscher Größe und Wachstum der Tumore und verglichen dies mit Tumoren von Mäusen, die normal ernährt wurden, aber dafür zwei Zyklen Chemotherapie erhalten hatten.
Das Ergebnis war erstaunlich: Bei fast allen Mäusen und Tumorarten waren die Krebsgeschwülste allein durch das Fasten nicht mehr weiter gewachsen oder sogar geschrumpft. „Bei den Mäusen mit Brustkrebs waren zwei Fastenzyklen fast genauso effektiv wie zwei Zyklen der Chemotherapie“, berichtet Longo. Ähnliches beobachtete er bei fünf der acht getesteten Krebsarten, darunter auch beim Melanom und beim Gliom.
In den Selbstmord getrieben
Was beim Fasten mit den Krebszellen passiert, erklären die Forscher so: Normale Zellen schalten beim Fasten in einen Pausenzustand um, eine Art Energiesparmodus. Das wird an zahlreichen Veränderungen der Genexpression hungernder Zellen sichtbar. Anders die Krebszellen: Statt zu pausieren, scheinen sie ihre Aktivität sogar noch anzukurbeln. Sie versuchen, weiterzuwachsen, Proteine herzustellen und sich zu teilen.
Das jedoch wird ihnen zum Verhängnis: „Die Krebszellen begehen dadurch im Prinzip zellulären Selbstmord“, erklärt Longo. „Sie versuchen, den Mangel an Nachschub im Blut zu kompensieren, aber sie schaffen es nicht.“ Als Folge kommt es zu einer Kaskade von Ereignissen, in deren Verlauf aggressive Moleküle die DNA der Zelle angreifen, bis die Krebszelle schließlich an Zellschäden zugrunde geht.
Kein Ersatz für eine Chemotherapie
Nach Ansicht von Longo und seinen Kollegen hat das kurzzeitige Fasten daher durchaus Potenzial, im Kampf gegen Krebs zu helfen. Sie betonen aber auch, dass das Fasten kein Ersatz für eine Chemotherapie ist und Krebspatienten auf keinen Fall diese Behandlung aufschieben oder sogar verweigern sollten.
Denn noch muss die Wirksamkeit des Fastens in klinischen Studien mit Menschen überprüft werden. Zudem zeigte sich schon in den Mäuseversuchen, dass Fasten allein nicht bei allen Krebsarten gleich gut wirkte. Gerade bei großen Tumoren hemmte der zeitweilige Nahrungsentzug zwar das Wachstum, reichte aber nicht aus, um den Krebs komplett verschwinden zu lassen.
„Solche Fastenzyklen könnte aber für die Patienten eine Alternative zur Chemotherapie sein, die noch ein einem sehr frühen Stadium des Krebses sind“, sagt Longo. „Sinnvoll wäre es vielleicht auch bei Patienten, die schon eine Chemotherapie erhalten haben, bei denen aber ein hohes Risiko für eine Wiederkehr des Krebses besteht.“
Nadja Podbregar
Stand: 11.03.2016