Doch nicht nur was unser Kauwerkzeug betrifft, stehen wir heute noch auf dem Stand unserer Vorfahren: Auch der Geschmackssinn des Menschen und die mit ihm verknüpften Reaktionen hinken unserer kulturellen Entwicklung hinterher. Und das hat Folgen.
Auf Süß geeicht
„Unsere Ausstattung mit Geschmacksrezeptoren unterscheidet sich kaum von jener der Menschenaffen, und sie hat sich im Zuge der Menschwerdung nicht weiter verändert“, sagt Maik Behrens vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung. „Dabei ist Geschmack ein entscheidender Faktor bei der Auswahl unserer Nahrung: Süß signalisiert uns: Dieses Lebensmittel enthält wertvolle Kalorien.“
Daran hat sich über die Jahrtausende nichts geändert, obwohl wir heute nicht mühsam über Stunden Beeren sammeln müssen, um uns an deren süßem Geschmack zu erfreuen: Zuckerreiche Lebensmittel gibt es in Hülle und Fülle beim Supermarkt um die Ecke. Und das ist das Problem, denn die von unseren Vorfahren geerbte Vorliebe für Süßes lässt uns nun zu reichlich zugreifen.
Grundsätzlich erfüllen die Rezeptoren allerdings noch ihre Funktion. So warnt uns auch bitterer Geschmack wie schon unsere Vorfahren vor Gesundheitsgefahren. Am Bitter-Aroma erkennen wir beispielsweise das giftige Amygdalin, das in Aprikosen- und Bittermandeln steckt und im Magen zu Blausäure umgewandelt werden kann.
Wild, Beeren und Honig
Mit bitteren Stoffen plagt jedoch Sven Laschinski seine Gäste nicht, wenn er zum Paläo-Abend in Monrepos aufkocht. Sie sollen zwar lernen, was in der Steinzeit gegessen wurde – die Zutaten werden aber selbstverständlich „nach heutiger Raffinesse zubereitet“, sagt Constanze Kamm vom Museums-Marketing.
Während des Essens haben die Gäste Gelegenheit, Fragen zur steinzeitlichen Ernährung zu stellen, denn die Wissenschaftler sitzen ebenfalls am Tisch. Der Austausch ist wichtig: „Zum einen macht es Spaß. Zum anderen regen uns die Fragen der Besucherinnen und Besucher zu neuen Perspektiven in der Forschung an – etwa wenn es um die Haltbarmachung von Nahrung geht“, berichtet Forscher Kindler.
Das gute Essen spielt dann im zweiten Teil der Paläo-Abende selbstverständlich die Hauptrolle. Und was kommt heute auf den Tisch? Wildhasenkeule in pikantem Kirsch-Bratenjus, als Dessert Waldbeeren-Apfelragout mariniert mit wildem Waldhonig – das hätte auch unseren Vorfahren geschmeckt. Na dann guten Appetit!
Wiebke Peters/ Leibniz Journal
Stand: 22.01.2016