Gewissermaßen im Hintergrundrauschen der Daten des Arecibo-Radioteleskops wollen Astronomen des US-amerikanischen SETI Instituts Hinweise auf außerirdische Zivilisationen finden. Wenn diese Außerirdischen zur Kommunikation Radiowellen nutzen, so die Theorie, könnten sich Spuren davon auch auf der Erde messen lassen. Das Problem dabei: Jede gemessene Frequenz in der gesammelten Datenmenge auf Muster, überraschend herausragende Signale oder ähnliche Abweichungen vom Hintergrund zu durchforsten, erfordert einen gewaltigen Rechenaufwand am Computer.
Die Anfänge: Distributed Computing
Ende der 1990er Jahre brachte das aufkommende Internet jedoch die Lösung: Anstatt eines einzelnen Supercomputers setzten die Astronomen auf viele, viele kleine auf der ganzen Welt verteilte Rechner. Dank einer speziell geschriebenen Software konnte jeder Interessierte seinen Rechner zu Hause für die Suche nach Außerirdischen bereitstellen. Das Projekt „SETI@home“ war geboren.
Das Prinzip dieses „Distributed Computing“ oder „verteilten Rechnens“ ist einfach: Immer wenn der Computer grade ungenutzt ist, empfängt er Datenpakete vom zentralen Server und bearbeitet diese. Die Ergebnisse schickt er dann zurück. Bei „SETI@home“ erscheint währenddessen ein Bildschirmschoner, der die gerade durchgerechneten Daten grafisch darstellt.
Das verteilte Rechnen fällt streng genommen nicht unter Citizen Science: Man spendet vielmehr die ungenutzte Zeit des eigenen Computers, anstatt selbst aktiv am Computer auszuhelfen. Doch es gibt einige Gemeinsamkeiten: Die starke Vernetzung durch das Internet ist eine nötige Voraussetzung. Außerdem sind es Massen von kleinen und kleinsten Beiträgen, die in der Summe dem Projekt seine Erfolgsgrundlage liefern. Damit setzten die Radioastronomen schon früh die ersten Maßstäbe für derartige wissenschaftliche Massenkooperationen.
Inwiefern die Suche nach Signalen außerirdischer Zivilisationen als wissenschaftlich gilt, ist möglicherweise umstritten. Doch SETI@home ist bis heute, rund 16 Jahre nach Projektbeginn, das größte und bekannteste Beispiel für Distributed Computing. Und auch wenn die Computer der Teilnehmer bislang keine Radiosignale von fremden Zivilisationen jenseits unseres Sonnensystems entschlüsselt haben, gilt das Projekt dennoch als Erfolg: Es hat eindrucksvoll gezeigt, dass die weltweit vernetzten Rechner mit den größten Supercomputern gleichziehen und diese sogar übertreffen können.
Distributed Computing auf Smartphones und Spielkonsolen
Vor allem aber hat das Projekt bewiesen, dass tatsächlich ausreichend freiwillige Teilnehmer für ein solches Unternehmen mobilisiert werden können. Das Prinzip der verteilten Rechenleistung griffen darum auch andere Forschungsbereiche schnell auf. Besonders Wissenschaftler, die für ihre Berechnungen die enorme Leistung von Supercomputern benötigen, lassen sich gerne von der geballten Rechenkraft der vernetzten Welt aushelfen.
Klimamodelle wie bei climateprediction.net oder die Prozesse der Proteinfaltung bei folding@home sind Beispiele für solche rechenaufwändigen Operationen. Das Protein-Puzzlespiel Foldit ging aus dem Distributed Computing Projekt Rosetta@home hervor. Projektnamen wie folding@home, MilkyWay@home und Einstein@home bezeugen den Einfluss des „Urvaters des Distributed Computing“, SETI@home. Selbst Smartphones und Spielkonsolen sind mittlerweile Teil der Netzwerke im Distributed Computing.
Crowd Funding für die Wissenschaft
Schließlich gibt es noch eine ganz einfache Art, wissenschaftlicher Arbeit ganz ohne eigene Anstrengung zu helfen: finanzielle Unterstützung. Viele Forschergruppen setzen auch deshalb auf Citizen Science, weil ihnen das Geld für ausgedehnte Studien fehlt – stattdessen holen sie sich die Unterstützung der breiten Öffentlichkeit.
Mehr und mehr Forscher gehen dabei auch den Weg des Crowd Funding: Auf Spenden-Plattformen wie Kickstarter sammeln nicht nur angehende Unternehmer Startkapital für ihre Geschäftsideen. Auch Wissenschaftler suchen dort mittlerweile nach Forschungsgeldern von wissenschaftlich interessierten Mitbürgern. Diese können so schon mit kleinen Beiträgen Forschungsarbeit fördern, die ihnen besonders am Herzen liegt.
Ein auf diesen Zweck spezialisiertes Online-Portal ist die Seite experiment.com. Wer Forschungsarbeiten fördern will, kann sich dort nach Themengebieten sortiert die vorgestellten Projekte anschauen und nach Interesse unterstützen. Bei bereits begonnenen Projekten informieren die Forscher regelmäßig auf der Seite über ihre Fortschritte, so dass man jederzeit sieht, was die eigene Spende bringt. Auch die oft gestellte Frage „Welche Lobbygruppe hat denn diese Studie bezahlt?“ ist dann leicht beantwortet.
Ansgar Kretschmer
Stand: 16.10.2015