Der Anblick des blutroten Mondes ist nicht nur beeindruckend, er kann auch Furcht auslösen, wenn man die Ursache nicht kennt. Kein Wunder daher, dass die Verfinsterung dieses Nachtgestirns und seine blutrote Färbung von unseren Vorfahren vielfach als böses Omen gedeutet wurde – erst recht, wenn darauf eine schmachvolle Niederlage oder eine Katastrophe folgte.
„Ein göttliches Zeichen für schweres Unheil“
So geschah es beispielsweise 412 vor Christus, als die Athener die Stadt Syrakus auf Sizilien belagerten. „Als alle fertig waren und keiner der Feinde sie bemerkt hatte, verfinsterte sich plötzlich der Mond in der Nacht – zur großen Furcht von Nicias und anderen“, schildert der griechische Geschichtsschreiber Plutarch das Ereignis. „Wie der Vollmond so plötzlich all sein Licht verlieren konnte und stattdessen diese Farben zeigen, das war nicht einfach zu begreifen. Sie hielten es daher für ein göttliches Zeichen für schweres Unheil.“
Tatsächlich sollte die sizilianische Expedition der Athener ein dramatischer Fehlschlag werden. Nach mehreren Schlachten wurden die Griechen unter Nicias vernichtend geschlagen – auch, weil die Bewohner von Syrakus Hilfe durch die Spartaner erhielten. Die gesamte griechische Truppe wurde getötet, gefangen genommen oder in die Sklaverei verkauft. Gut 1.400 Jahre später soll eine Mondfinsternis auch dem Fall von Konstantinopel vorausgesagt haben.
Blutmond als Todesbote
Klassisch war früher auch die Annahme, eine Mondfinsternis würde den Tod eines Königs oder anderen Prominenten ankündigen. So gingen dem Tod des römischen Kaisers Augustus und des griechischen Philosophen Karneades von Kyrene Mondfinsternisse voran und wurden von Geschichtsschreibern ihrer Zeit als böses Omen gedeutet.
Auch Herodes, der von den Römern eingesetzte Vasallenkönig in Israel, könnte ein solches „Omen“ gesehen haben. Denn der Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichtet von einer Mondfinsternis, die während der Krankheit des Herodes geschah. Danach verschlimmerte sich das Leiden, bis der König schließlich starb.
Kolumbus und die lunare List
Christoph Kolumbus profitierte dagegen auf seiner vierten und letzten Reise in die Karibik von einer Mondfinsternis. Im Sommer 1503 strandete er mit zwei völlig von Schiffswürmern zerfressenen Karavellen an der Küste von Jamaika. Zunächst waren die Einheimischen hilfsbereit und versorgten die Schiffbrüchigen mit Nahrung, doch im Laufe der Monate eskalierten die Konflikte. Die Mannschaft ermordete einige Einheimische, woraufhin diese sich weigerten, die Männer weiter zu versorgen.
In dieser Situation griff Kolumbus zu einer List. Wie die meisten Seefahrer führte er den astronomischen Almanach des deutschen Mathematikers und Astronomen Regiomontanus mit sich. In diesem waren Auf- und Untergangszeiten sowie Positionen wichtiger Sternen und Planeten aufgeführt, aber auch kommende Mondfinsternisse. Kolumbus wusste daher, dass sich am Abend des 29. Februar 1504 eine totale Mondfinsternis ereignen würde.
Drei Tage vor diesem Termin verkündete der Seefahrer dem Anführer der Einheimischen, dass sein Christengott wegen ihrer mangelnden Hilfe zornig sei. Er werde daher ein klares Zeichen seines Unmuts senden: In drei Nächten werde er den Vollmond verdunkeln und „im Zorn entflammen“. Als sich dann am 29. Februar tatsächlich der aufgehende Mond blutrot verfärbte, war die Panik groß: „Die Indios waren so erstaunt und verängstigt, dass sie mit lautem Schreien und Klagen aus allen Richtungen zu den Schiffen gerannt kamen“, berichtet Kolumbus‘ Sohn Ferdinand. „Sie trugen Proviant und versprachen, dass sie alle Bedürfnisse in Zukunft erfüllen würden.“
Nadja Podbregar
Stand: 25.09.2015