Wenn ein Asteroid von zehn Kilometer Durchmesser einschlägt, sind die Folgen eigentlich nicht zu übersehen – sollte man meinen. Denn ein solcher Impakt müsste einen Krater von mindestens hundert Kilometern Durchmesser hinterlassen. Doch von dem Meteoriten, der nach Ansicht von Walter Alvarez und seinen Mitstreitern vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier ausrottete, schien es zunächst keine Spur zu geben.
Wirklich verwunderlich ist dies allerdings nicht. Denn im Gegensatz zum Mond oder anderen „toten“ Himmelskörpern ohne Atmosphäre, sorgen auf der Erde Eis, Wind, Wasser und Vegetation dafür, dass die Form der Landschaft sich fortwährend ändert. Gebirge wachsen empor, Täler und Schluchten kerben sich ein, Hügel werden eingeebnet. Innerhalb von 65 Millionen Jahren kann daher ein Einschlagskrater leicht bis zur Unkenntlichkeit verändert oder sogar völlig abgetragen und überdeckt werden.
Zufallsfund in Mexiko
Der Fund des Dinokiller-Kraters war deshalb eher ein glücklicher Zufall. Der entscheidende Hinweis dazu kam von Geophysikern der Ölgesellschaft PEMEX, die schon in den 1950er Jahren eine geophysikalische Anomalie im Norden der mexikanischen Halbinsel Yucatan entdeckt hatten. Messungen des Magnetfelds und der Schwerkraft enthüllten hier eine kreisförmige, unter der Erde verborgene Struktur, die die Forscher aber zunächst für Reste eines Vulkanschlots hielten.
An der Erdoberfläche war von alledem nichts sichtbar. Die seltsame Anomalie lag halb an Land, halb unter Wasser und war zudem unter 300 bis 1.000 Meter mächtigen Sedimentschichten begraben. Ihr Zentrum befand sich unter dem Ort Chicxulub Puerto, nördlich der Provinzhauptstadt Mérida. 1981 trugen Antonio Camargo-Zanoguera und Glen Penfield auf einer geophysikalischen Tagung neuere Ergebnisse ihrer Messungen vor und spekulierten dabei bereits, es könne sich um einen Einschlagskrater handeln.
Gesteinsglas und geschockter Quarz
Doch ihr Fund fand zunächst keine Beachtung. Es sollte noch zehn weitere Jahre dauern, bis ein Forscherteam unter Leitung von Alan Hildebrand von der University of Arizona sich erneut der rätselhaften Struktur annahm. Sie sammelten nicht nur genauere Daten zu den Magnetfeld- und Schwereanomalien in diesem Gebiet, sondern untersuchten auch Proben aus alten Ölbohrungen. Ironie des Schicksals: Eine der entscheidenden Proben lag die ganze Zeit direkt vor aller Augen – als Briefbeschwerer auf dem Schreibtisch eines der PEMEX-Geologen.
Bei den Analysen dieser und weitere Proben fanden die Forscher Mineralien und Gesteine, die eindeutig auf eine starke Druck- und Hitzeeinwirkung schließen ließen. Zu diesen gehört amorphes Gestein, das entsteht, wenn Untergrundgestein schmilzt und dann wieder erstarrt. Auch Trümmergestein, sogenannte Brekzien, und durch Schockwellen veränderten Quarz entdeckten die Forscher in Gesteinsproben aus dem Kratergebiet. Eine Datierung dieser Proben ergab ein Alter von rund 65 Millionen Jahren – und stimmte damit genau mit dem Zeitpunkt überein, zu dem weltweit sowohl die Iridiumanomalie als auch das Massenaussterben aufgetreten waren.
Ground Zero der Katastrophe?
Hatte man endlich den Krater des Dinokillers gefunden? Alle Indizien sprachen dafür. Chicxulub, Maya-Bezeichnung für „Schwanz des Teufels“, wie der Krater nach der über ihm liegenden Stadt genannt wurde, schien tatsächlich als ernsthafter – und bis heute einziger – Kandidat für den K/T-Einschlag in Frage zu kommen.
Mitte der 1990er Jahre ergab sich aus weiteren Untersuchungen erstmals ein genaueres Bild der Form und Größe des Chicxulub-Kraters: Er gehört eindeutig zu den komplexen, für größere Einschläge typischen Kratern mit einem Zentralberg und mindestens einer ringförmigen Erhebung. Der Durchmesser wird bis heute unterschiedlich angegeben, liegt aber nach Ansicht der meisten Geoforscher bei rund 180 Kilometern. Damit ist Chicxulub der drittgrößte Krater der Erde, nach Vredefort in Südafrika und dem Sudbury-Becken in Kanada, die jedoch beide mehr als zwei Milliarden Jahre alt sind.
Aber war er auch der „Dinokiller“?
Nadja Podbregar
Stand: 11.09.2015