Geologie/physische Geographie

Der große Streit

Meteorit versus Vulkanismus und Co

Der Streit um den wahren Dinokiller und die Rolle des Chicxulub-Einschlags hält bis heute an. Und die Datenlage könnte unübersichtlicher nicht sein. Zwar gibt es einen Krater, aber wann der Einschlag stattfand, hängt davon ab, wen man fragt. Und die Debatte darüber, ob der Asteroid allein schuldig gewesen sein könnte, wird hitzig und nicht immer ganz sachlich auf höchster wissenschaftlicher Ebene ausgetragen.

Gerta Keller und ihre Mitstreiter sehen in den Ausbrüchen des Dekkan Trapps den Schuldigen am Dinosterben. Diese Flutbasalte in Indien hinterließen meterdicke Lavaschichten. © Kppethe/ CC-by-sa 3.0

„Lücken so groß wie ein Argentinosaurus“

Wortführerin der „Anti-Dinokiller“-Fraktion ist Gerta Keller, eine Paläontologin der Princeton University. Ihr Hauptargument: Die Chicxulub-Bohrung, aber auch andere Gesteinsformationen rund um den Golf von Mexico, sollen eindeutig zeigen, dass sich der Einschlag schon 300.000 Jahre vor dem Ende der Dinosaurier ereignet hat. „Tatsächlich hat die Impakttheorie so große Lücken, dass ein Argentinosaurus hindurchpurzeln könnte, ohne irgendwo anzustoßen“, konstatiert der US-Geologe Dewey McLean.

Seiner Ansicht nach brachte nicht der Asteroid den massenhaften Tod, sondern eine Kombination mehrerer Faktoren. Ganz vorn unter den Schuldigen sehen er und Keller die Dekkan-Trapps, eine Region in Indien, in der es vor rund 65 Millionen Jahren gewaltige und ausgedehnte Vulkanausbrüche gab. Der gewaltige Ausstoß von Rauch und vulkanischen Gasen soll, so postulieren sie, das Klima allmählich verändert und so das Massenaussterben verursacht haben.

„Umgekippt und abgerutscht“

Demgegenüber vertritt der Geologe Jan Smit, einer der Begründer der Impakttheorie, die Ansicht, dass Chicxulub der überzeugendste und einzige Kandidat für den „Dinokiller“ ist. Die in der Yax-1 Bohrung entdeckte Kreidezeitschicht, so seine Argumentation, liegt gerade wegen der Wucht des Einschlags über dem Impaktgestein: Eine gewaltige Scholle des durch den Impakt aufgestellten und aufgetürmten Sediments sei damals abgekippt und über das Impaktgestein gerutscht. Ein Verhalten, dass auch bei anderen Kratern vielfach beobachtet worden ist.

Jan Smit und seine Kollegen sehen nach wie vor im Chicxulub-Einschlag den Haupttäter. © NASA/ Don Davis

Die Daten Kellers und ihrer Mitstreiter hält er dagegen für ziemlich dünn: „Ihre einzigen Belege stammen aus dem Gebiet des Golf von Mexiko. Aber das ist eine Region, die komplett durcheinander geworfen wurde: von Erdbeben geschüttelt, überall Erdrutsche, jede Menge Tsunamiablagerungen, Massenbewegungen – alles Mögliche. Die gesamte Region ist extrem instabil – und ausgerechnet daher stammen alle ihre Beweise.“

„Der Asteroid war pünktlich“

Wenn man die Ereignisse an der K/T-Grenze rekonstruieren will, eignen sich Gesteinsabfolgen in größerer Entfernung vom Krater weitaus besser, meint auch Peter Schulte von der Universität Erlangen, ein inzwischen zum Impaktlager übergelaufener ehemaliger Schüler von Gerta Keller. 2010 präsentierte er gemeinsam mit Kollegen im Fachmagazin „Science“ schlagkräftige neue Argumente gegen Kellers Hypothesen.

Demnach kam nicht der Einschlag zu früh, sondern der Dekkan-Trapp. „Die Vulkanausbrüche in Indien begannen schon 500.000 Jahre bevor das weltweite Massensterben einsetzte – ohne dass sich gravierende Auswirkungen auf die globale Artenvielfalt zeigten“, so Schulte. In ihrer Studie zeigen die Forscher zudem, dass der Chicxulub-Meteorit dagegen „pünktlich“ zum K/T-Ereignis einschlug. Sogar in mehreren tausend Kilometern Entfernung fanden sie davon eine Art Fingerabdruck in Form von typischen Gesteinsfragmenten.

Die K/T-Grenze (Pfeil) im Trinidad State Park in Colorado - umstritten ist nicht ihre Existenz, wohl aber ihre Ursache und ihre Datierung. © National Park Service

2013 bestätigte ein anderes Team Smit und Co mit der bisher genauesten Datierung des Chicxulub-Ereignisses. Paul Renne von der University of California in Berkeley und seine Kollegen hatten dafür das Alter von Tektiten aus Haiti und Aschen aus Montana mit Hilfe einer rekalibrierten Argon-Methode bestimmt. Ihr Ergebnis ist bis auf 11.000 Jahre genau – und nach diesem lagen Chicxulub-Einschlag und die K/T-Exinktion maximal 33.000 Jahre auseinander.

„Diese Ereignisse sind damit sozusagen um Haaresbreite synchron“, meint Renne. „Der Einschlag spielt damit eindeutig eine wichtige Rolle für das Aussterben.“ Allerdings räumt er versöhnlich ein, dass die Eruptionen des Dekkan-Trapp sozusagen die Vorarbeit für den Einschlag geleistet haben könnten. „Der Impakt war aber eindeutig der letzte Schubs für die Erde“, so der Forscher.

„Streit ist gut für die Wissenschaft“

Allerdings werden wohl auch diese Erkenntnisse die Debatte um die Ursache des Massenaussterbens am Ende der Kreidezeit nicht beenden. Im Fall „Dinokiller“ ist das letzte Urteil noch immer nicht gesprochen. Dennoch hat die Spurensuche schon jetzt eine Menge gebracht – den Beteiligten ebenso wie der Wissenschaft insgesamt. „Es gibt nichts Besseres für einen Wissenschaftler, als jemanden zu haben, der deine Ergebnisse anzweifelt. Es hält dich lebendig“, erklärt Smit.

Und nicht zuletzt wegen dieses Streits ist der Einschlag vor 65 Millionen Jahren der bestuntersuchte überhaupt. Bis heute sind es vor allem die daraus gewonnenen Erkenntnisse, die unsere Vorstellung von Auswirkungen eines katastrophalen Meteoriteneinschlags auf der Erde bestimmen. Ob Klimaforscher, Geophysiker, Zoologen oder Botaniker – sie alle stützen sich bei ihren Prognosen über die Folgen eines „Big One“ auf Chicxulub und das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit.

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Nadja Podbregar
Stand: 11.09.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der Fall "Dinokiller"
Auf der Suche nach der Ursache des Massenaussterbens

Das erste Indiz
Rätselhafte Brüche in den Fossilienfunden

Das Iridium-Rätsel
Eine erste Spur des Täters

Ein kosmisches Attentat?
Auf der Suche nach der Herkunft des Iridiums

Ist der Täter gefunden?
Eine Asteroiden-Theorie sorgt für Aufsehen

Der Schwanz des Teufels
Die Suche nach dem Einschlagsort

Das Datierungs-Problem
Tauziehen um den Dinokiller

Der große Streit
Meteorit versus Vulkanismus und Co

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