Es klingt verlockend simpel: Man steckt einfach 20 bis 30 Minuten lang ein paar dünne, kaum spürbare Nadeln an verschiedenen Stellen in die Haut und schon lassen die Schmerzen nach und Wohlgefühl breitet sich aus. „Die meisten Patienten empfinden die Akupunktur – nicht selten schon bei der ersten Behandlung – als wohltuend, entspannend und oft verblüffend schnell wirksam“, heißt es bei der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA).
Hirnaktivität und Botenstoffe
Fragt man westliche Akupunkteure, positiv eingestellte Ärzte und selbst Krankenkassen, dann hat die Akupunktur eine nachweisbare physiologische Wirkung. So zeigen Untersuchungen mit funktioneller Magnetresonanz-Tomografie (fMRT), dass die Nadelbehandlung die Hirnaktivität auf spezifische Weise verändert. Allerdings wurde bei den meisten dieser Studien nicht immer kontrolliert, ob eine Nadelung an anderen Stellen oder eine andere Form der Schein-Akupunktur nicht ähnliche Effekte hervorruft.
Für die schmerzlindernde Wirkung der Akupunktur macht man vor allem körpereigene Botenstoffe verantwortlich: „Über Reizung von Akupunkturpunkten bilden sich im Körper körpereigene, morphiumartige Substanzen und Neurotransmitter. Diese Substanzen wirken schmerzstillend und psychisch ausgleichend“, erklärt die Techniker Krankenkasse. Ähnliches führt auch die DÄGfA an. Kritiker der Akupunktur bemängeln allerdings, dass diese Effekte eher unspezifisch sind und auch durch andere sensorische Reizungen der Haut und den einen reinen Placebo-Effekt verursacht werden können.
Mehr Theorien als Fakten
Ein großes Problem dabei: Bisher kann niemand überzeugend erklären, warum bestimmte Punkte am Körper eine Wirkung auslösen, andere aber nicht. Auch die Mechanismen, über die Akupunkturpunkte ihre schmerzlindernde oder sonstwie heilende Wirkung entfalten, liegen im Dunklen. Es gibt zwar reichlich Theorien, aber nur wenige Belege.
So liegen einige Punkte in der Nähe von Nervenenden, Bändern oder Muskelansatzstellen, aber eben nicht alle. Auch Messungen der Hautleitfähigkeit ergeben widersprüchliche Ergebnisse. Während einige Forscher einen besonders niedrigen Hautwiderstand als physiologisches Kennzeichen für einen Akupunkturpunkt zu erkennen glaubten, fanden andere keinerlei Zusammenhänge dieser Art.
Adenosin und Triggerpunkte
2010 stellte eine Studie an Mäusen fest, dass am Einstichpunkt der Nadel Adenosin ausgeschüttet wird und dadurch ein lokaler schmerzstillender Effekt entsteht. Allerdings: Im Verhältnis zum kleinen Bein der Maus war die Nadel so groß, dass sie fast den Ischiasnerv berührte. Kritiker sehen darin deshalb einen Effekt unspezifischer Reizung – zumal kein Gegentest an anderen Körperstellen durchgeführt wurde.
Einer weiteren Theorie nach stimmen Akupunkturpunkte mit myofaszialen Triggerpunkten überein. Deren mechanische Reizung soll lokale Verhärtungen und Verdrehungen von Muskeln und Bindegewebe lösen helfen und so Schmerzen beseitigen. Allerdings: Längst nicht alle Punkte stimmen mit den Triggerpunkten überein und auch deren Existenz ist nicht unumstritten. Hinzu kommt: Diese Theorie könnte zwar erklären, wie Akupunktur lokale Schmerzen lindert, nicht aber, warum sie auch gegen systemische Krankheitsbilder oder Übelkeit hilft.
„Präwissenschaftliches Geschwätz“
„Wie effektiv auch immer das Nadeln sein mag, bisher gibt es keinerlei überzeugende Belege dafür, dass Meridiane und Akupunkturpunkte als diskrete Einheiten existieren“, kommentiert der US-Mediziner David Ramsey. Noch schärfer formuliert es sein Kollege Brian Greeney vom Boston Medical Center: „Dies ist alles präwissenschaftliches Geschwätz. Es gibt keine wissenschaftliche Basis für die Meridiane und das Qi, deshalb kann man dies weder als echte wissenschaftliche Hypothese ansehen, noch versuchen sie zu widerlegen.“
Dass man schlicht nicht weiß, was die Akupunktur im Körper bewirkt, räumen selbst die Akupunkturärzte der DÄGfA ein: „Was genau bei einer Akupunktur im Körper abläuft, ist wissenschaftlich noch nicht restlos aufgeklärt“, schreiben sie.
Nadja Podbregar
Stand: 04.09.2015