Ist die Akupunktur eine echte Alternative zur konventionellen Medizin? Kann sie beispielsweise herkömmliche Schmerztherapie ersetzen oder zumindest ergänzen? Und wogegen hilft sie überhaupt? Die Antworten darauf hängen stark davon ab, wen man fragt. Und selbst wissenschaftliche Studien sind sich hier keineswegs einig – den vielen positiven stehen mindestens ebenso viele negative gegenüber.
Uneins in den Indikationen
Wenn es um die Anwendungsgebiete der Akupunktur geht, scheint nach Angaben einiger Akupunkteure und auch der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA) kaum eine Grenze gesetzt. Von A wie Augenheilkunde bis Z wie Zahnmedizin ist in ihren Indikationslisten alles vertreten. Die chinesischen Nadeln sollen nicht nur gegen Schmerzen jeglicher Art helfen, sondern auch gegen Süchte, Depressionen, Asthma und Allergien, Verdauungsbeschwerden, Inkontinenz, Hauterkrankungen und sogar Herz- Kreislauf Krankheiten.
Die deutschen Krankenkassen sind da schon wesentlich zurückhaltender: Sie halten die Akupunktur zumindest bei zwei Indikationen für so wirksam, dass sie seit 2007 die Kosten erstatten: bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule und bei einer Kniegelenksarthrose. Das britische National Health System (NHS) übernimmt in einigen Fällen die Kosten für Akupunktur gegen Schmerzen im unteren Rücken und bei Migräne. Auch die US National Institutes of Health sprechen von der Akupunktur als einer „vernünftigen Option für Menschen mit chronischen Schmerzen“.
Auf den ersten Blick positiv…
Grundlage für die Einschätzung der deutschen Krankenkassen waren vor allem die sogenannten GERAC-Studien, in denen deutsche Forscher bei mehr als 3.500 Patienten und in mehr als 35.000 Behandlungen die Wirksamkeit von Akupunktur für Kreuzschmerzen, Kniearthrose, Migräne und Spannungskopfschmerz untersuchten. Dabei wurde die Nadelung echter Akupunkturpunkte mit einer Schein-Akupunktur an falschen Punkten und mit der konventionellen Therapie in Form von Medikamenten und/oder Physiotherapie verglichen.
Das Ergebnis: Bei chronischen Rückenschmerzen und Schmerzen durch Kniegelenksarthrose war das Nadeln den herkömmlichen Therapien deutlich überlegen, bei der Arthrose sogar um das Dreifache. Bei Migräne half die Akupunktur ähnlich gut wie die tägliche Einnahme von Betablockern. Beim Spannungskopfschmerz sank die Anzahl der Kopfschmerztage um immerhin die Hälfte.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine 2012 durchgeführte Metastudie, in der Forscher 29 klinische Studie mit insgesamt knapp 18.000 Patienten verglichen, sowie eine Metastudie der Cochrane Foundation im Jahr 2008. In beiden Fällen stellten die Forscher fest, dass Akupunktur bei bestimmten chronischen Schmerzen besser oder zumindest vergleichbar gut wirkt wie die Standardtherapie.
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..aber Schein-Akupunktur funktioniert genauso
Das klingt zwar gut, es gibt jedoch ein großes Aber: Die positive Wirkung der Akupunktur trat nur im Vergleich mit der konventionellen Therapie zutage – beispielsweise der Einnahme von Schmerzmitteln. Verglichen die Forscher aber die Schein-Akupunktur mit der echten, sah es völlig anders aus: Weder die GERAC-Studien noch die Metastudien fanden einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Akupunkturformen.
Im Klartext heißt dies: Es ist egal, ob ein Akupunkturpunkt getroffen wird oder nicht, Hauptsache der Patient hat das Gefühl, er wird entsprechend behandelt. Obwohl bei der Schein-Akupunktur nach den Lehren der chinesischen Medizin kein Meridian involviert ist und daher auch der Qi-Fluss nicht korrekt beeinflusst wird, scheint schon das Gefühl des Genadeltwerdens zu funktionieren.
Damit aber stellt sich die Frage, was hier eigentlich wirkt. Ist es wirklich die Reizung der Punkte? Oder kommt hier vielleicht etwas ganz anderes zum Tragen?
Nadja Podbregar
Stand: 04.09.2015