Doch Genetik ist nicht alles. Der genetische Barcode allein wäre so nichtssagend wie eine Nummer im Telefonbuch. Es braucht Taxonomen mit biologischem Hintergrund, die wissen, wie und wo eine Art lebt. Und die die Abhängigkeiten zwischen Arten wie der Mücke Bradysia und der Orchidee Lepanthes kennen.
Gleichwohl kann die Genetik die Arbeit der Taxonomen erheblich erleichtern. Denn die Spezialisten verbringen viel Zeit mit Routinebestimmungen von Arten – in der Hoffnung, dabei eine Perle, eine neue Art zu finden. Ein Beispiel sind Artenerfassungen in Nationalparks oder Biosphärenreservaten, bei denen die Experten Insekten in Fallen sammeln und der Reihe nach bestimmen.
Hilfe bei „Allerweltsarten“
Das Problem: Die meisten Exemplare sind Allerweltsarten. „Es ist zeitraubend, wenn man zum hundertsten Mal einen Siebenpunkt-Marienkäfer bestimmen muss“, sagt Björn Rulik vom Museum Koenig. Deshalb versuchen Experten für molekulare Taxonomie, neue Technologien zu nutzen, um Zeit zu gewinnen. Das künftige Ziel ist es, den Falleninhalt weitgehend automatisch bestimmen zu lassen. Die Experten sollen sich anschließend auf die schwierigen Fälle konzentrieren, die nicht automatisch einer Art zugeordnet werden konnten. So ließen sich neue Arten schneller entdecken.
Christian Roos vom DPZ hält das für besonders wichtig: „Es geht ja nicht nur um die Bestimmung von Käfern oder Primaten, sondern auch um neue Bakterien- oder Pilzarten, die man eventuell sogar für die Produktion von Lebensmitteln oder Medikamenten nutzen könnte.“ Die moderne Taxonomie, betont Roos, sei damit keineswegs eine rein akademische Angelegenheit, sondern habe für den Menschen eine bislang völlig unterschätzte Bedeutung und nicht zuletzt ökonomisches Potenzial.
Tim Schröder / Leibniz Journal
Stand: 07.08.2015