Die HMS Challenger war ein dreimastiges Segelschiff, hatte aber auch noch einen Dampfmotor zur Unterstützung. Ursprünglich war sie mit 18 Kanonen bewaffnet, 16 davon mussten für wissenschaftliche Umbauten weichen. Für ihre große Forschungsreise erhielt die Challenger Laborräume für physikalische, chemische und biologische Untersuchungen. Hinzu kamen eine eigene Bibliothek, eine Werkstatt und eine Dunkelkammer für den angestellten Fotografen. Der Routine-Einsatz der noch relativ jungen Technik der Fotografie war für eine wissenschaftliche Expedition eine wichtige Neuerung.
Modernste Ausrüstung für die Forschung
Darüber hinaus waren enorme Mengen an Lagerplatz nötig: Die Mission erhielt die nach dem Stand der Zeit modernste Ausrüstung. Wichtig waren vor allem Schleppnetze , Fangkörbe und Gerät zur Tiefenmessung – alles auf Arbeiten in großer Tiefe ausgelegt. Die Thermometer, die die Wissenschaftler verwenden sollten, waren speziell für die Mission weiterentwickelt worden. Um diese Gerätschaften in die Tiefe absenken zu können, waren außerdem hunderte von Kilometern an Tau an Bord.
Für die Ziele der Mission hatte die Royal Society klare Vorgaben gemacht. Forschungsziel waren erstens die physikalischen Eigenschaften am Grund der großen Ozeanbecken, nämlich Tiefe, Temperatur, Strömung, Wasserdichte und die Stärke des einfallenden Lichtes. Außerdem sollten die Forscher die chemische Zusammensetzung des Wassers und der Sedimente am Meeresgrund erforschen, und die Menge an organischen Schwebstoffen im Wasser analysieren. Und schließlich Thomsons persönliches Ziel: Erkenntnisse über das Vorkommen von Lebewesen in verschiedenen Tiefen bis hinunter zum Meeresboden.
Abfahrt unter düsteren Vorzeichen
Ausgangspunkt der Forschungsfahrt sollte die Stadt Portsmouth an der südenglischen Küste sein. Ausgerüstet wurde die Challenger zuvor im Ort Sheerness an der Mündung der Themse. Die Fahrt von Sheerness nach Portsmouth stand jedoch unter keinem guten Stern: Wenige Tage vor der Abfahrt war einer der Soldaten der Besatzung von der Gangway gestürzt und ertrunken.
Während der Fahrt durch den englischen Kanal tobte dann ein wütender Sturm, der dem Schiff die Hauptsegel wegriss. Nach nur zwei Tagen, bei erster Gelegenheit im nächsten Hafen, verließen die Wissenschaftler der Expedition das Schiff wieder und fuhren stattdessen mit der Eisenbahn nach Portsmouth – zur Belustigung der Seeleute über die seekranken „wissenschaftlichen Kerle“.
Erster Erfolg im dritten Anlauf
Am 21. Dezember 1872 stach die Challenger schließlich von Portsmouth aus unter dem Kommando von Kapitän George Nares in See. Die Reise ging zunächst südwärts durch den Golf von Biskaya. Vor der spanischen Küste, auf Höhe der Hafenstadt Vigo, begannen am 30. Dezember die wissenschaftlichen Arbeiten. Allerdings lief die erste Probennahme nicht so gut wie erhofft: Beim ersten Versuch riss der Probenkorb beim Einholen aus 1.500 Faden Tiefe ab, das Gerät und 100 Faden Tauwerk gingen verloren. Der zweite Korb kam nur gekippt und damit leer wieder an die Oberfläche.
Erst im dritten Anlauf gelang das Manöver. Der Korb brachte, wie auch bei den Probennahmen der folgenden Wochen, eine große Menge Schlamm und Sediment vom Meeresgrund herauf. Darin befand sich aber auch ein wahrer Reichtum anderer Funde: Muscheln, Krebse und sogar Fische. Schon diese ersten Proben bestätigten Thomsons Annahme: Auch unterhalb der Grenze von 300 Faden wimmelte das Leben.
Ansgar Kretschmer
Stand: 24.07.2015