Geologie/physische Geographie

Bizarre Funde nach harter Arbeit

Thomson beschreibt erste Resultate

Die auf der Challenger verwendeten Sammelkörbe bestanden aus Drahtgeflecht. (Zeichnung aus den Missionsberichten) © NOAA Photo Library

Um die Monotonie während der Überfahrt zu erleichtern, hielt Thomson als wissenschaftlicher Leiter der Mission einen Vortrag an Deck. Er hob darin die Bedeutung der Challenger-Mission hervor und wollte sie auch den Seeleuten begreifbar machen. Der Wissenschaftler betonte, wie wenig über den Meeresboden bislang bekannt sei, während selbst so exotische Orte wie Afrika und Australien von Jahr zu Jahr besser erforscht würden – und das, obwohl drei Viertel der Erde von Wasser bedeckt sind.

Thomson erklärte auch den Grund für die bisherige Unwissenheit: den hohen Wasserdruck. „Setzt man einen Menschen dorthin auf den Grund, wo wir heute gemessen haben, 2.800 Faden tief, so lastete auf ihm ein genauso hohes Gewicht wie das Gewicht der Challenger“, verdeutlichte der wissenschaftliche Leiter der Mission.

„Niemand anders als britische Seeleute“

Dieser Druck sei es auch, der das Heraufziehen des Probeneimers so schwer mache und damit auch lange die Erforschung der Tiefsee erschwert habe – die Matrosen konnten dies aus eigener harter Erfahrung bestätigen. Wahrscheinlich um die Mannschaft zu ermutigen, appellierte Thomson auch an ihren Patriotismus: „Niemand anders als britische Seeleute“ könnten dieses Problem zufriedenstellend lösen. Zwar hätten andere Nationen sich daran versucht, seien aber bislang nur „planlos vorgegangen“.

Die Leistung der Mannschaft wusste Thomson zu würdigen, denn sie hatten bereits dazu beigetragen, den Irrglauben von der toten Tiefsee zu widerlegen: „Denn nach 600 Faden bis hinunter zu 800 Faden wimmelt die See von Tieren von dem Menschen bisher unbekannter Art: Nahezu transparente Tiere, aber mit Augen, Lungen und Herzen genau wie wir sie haben, und die unter dem Mikroskop all diese Organe perfekt erkennen lassen.“

Aus den Expeditionsberichten: "Murrays Anglerfisch", im Mittelatlantik aus einer Tiefe von etwa 1.500 Faden (2,7 Kilometer) heraufgeholt © gemeinfrei

„Halb Planze, halb Tier“

Besonders faszinierend erschienen die vielen Organismen, die in der dunklen Tiefsee ihr eigenes Licht erzeugten. Ein solches rätselhaftes Lebewesen beschrieb Thomson als „halb Pflanze und halb Tier“, und es konnte „ein starkes grünes Licht aus seinem Körper abstrahlen“. Dieses Licht sei unterhalb von 400 Faden Tiefe das einzige Licht, „völlig unabhängig vom Licht der Sonne“.

Wiederum andere, gallertartige Tiere besaßen „Auswüchse in der Form eines Schiffsankers“, mit denen sie sich an jeder Art von Untergrund festklammern konnten, „besonders an den Fingern eines Menschen.“ Die Form dieser Anhängsel veranlasste Thomson zu – vermutlich nicht völlig ernst gemeinten – Spekulationen: „Ob das Tier zuerst einen Schiffsanker sah und ihm dessen Form gefiel, oder ob wir zuerst das Tier gesehen und sein seemännisches Anhängsel für unsere Ankerform entliehen haben, ist mehr als ich beantworten kann.“

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Ansgar Kretschmer
Stand: 24.07.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der Anfang der Ozeanographie
Die Expedition des Forschungsschiffs "Challenger"

Wissenschaftliche Aufbruchstimmung
Die Tiefsee: lange vernachlässigt – aber lebensfeindlich?

Die Reise geht los
Vorbereitungen und die erste Messung

"Zweitausend Faden und kein Grund!"
Zeitraubende Forschung im Atlantik

Bizarre Funde nach harter Arbeit
Thomson beschreibt erste Resultate

Vom Golfstrom bis in die Antarktis
Südwärts durch den Atlantik

Der Kapitän geht von Bord
Veränderungen während der Reise

Die allertiefste Tiefsee
Die Entdeckung des Challengertiefs

Eine Flut an Proben und Daten
Die Challenger-Berichte: 50 Bände in 19 Jahren

Ozeanographie heute
Das Vermächtnis der Challenger

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