Phänomene

Bindung als Droge

Wie Oxytocin uns treu macht

Einmal kurz in Mittelchen in die Nase gesprüht und schon ist der Partner treu. Das klingt wie der typische Wunschtraum vieler, funktioniert aber – zumindest im Experiment – tatsächlich. Denn das Kuschelhormon Oxytocin macht nicht nur Wühlmäuse monogam, auch bei uns Menschen sorgt es für verstärkte Treue zum Partner.

Oxytocin stärkt die Bindung zwischen Mutter und Kind © Feverpitched/ iStock.com

Lange Zeit galt das Neuropeptid Oxytocin als reines Mutterschaftshormon: Es löst die Muskelkontraktionen bei den Wehen aus und stärkt nach der Geburt die Bindung zwischen Mutter und Kind. Dann aber zeigte sich, dass dieses Bindungshormon auch beim Körperkontakt mit dem Partner, beim Kuscheln und beim Sex freigesetzt wird. Bei Wühlmäusen entscheidet das Oxytocin sogar darüber, ob sie ihrem Partner lebenslang treu sind oder aber zwangslosen Partnerwechsel bevorzugen.

Forscher gehen daher davon aus, dass Oxytocin auch in unseren Paarbindungen eine wesentliche Rolle spielt – es ist quasi der Kitt, der die Beziehung jenseits der akuten Verliebtheit zusammenhält und uns treu macht.

Hormon gegen das Fremdgehen?

Aber reicht diese Wirkung des Kuschelhormons aus, um ein Fremdgehen zu verhindern? Und wenn ja, wie erreicht es das? Diese Frage haben René Hurlemann von der Universität Bonn und seine Kollegen in den letzten Jahren in mehreren Experimenten untersucht. In einem davon verabreichten sie Singles und gebundenen Männern per Nasenspray entweder eine Dosis Oxytocin oder ein Placebo. Anschließend verwickelte ein attraktiver weiblicher Lockvogel die Probanden in ein flirtendes Gespräch.

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Und tatsächlich: Das Oxytocin veränderte das Flirtverhalten der Männer. Unter Einfluss des Kuschelhormons hielten sie bis zu 15 Zentimeter mehr Abstand zum Lockvogel als mit Placebo behandelte Männer oder Singles. Ihr „sozialer Sicherheitsabstand“ vergrößerte sich damit – und diese Distanz kann schon ausreichen, um der Flirtpartnerin unbewusst ein geringeres Interesse zu signalisieren.

Treue wird belohnt

Aber Effekt des Oxytocins geht noch viel weiter, wie ein Blick ins Gehirn enthüllt. Denn es verändert selektiv unsere Wahrnehmung gegenüber potenziellen Geschlechtspartnern und belohnt uns mit Glücksgefühlen, wenn wir unseren eigenen Partner anschauen. Das zeigt ein Versuch, bei dem die Forscher die Hirnaktivität ihrer Probanden aufzeichneten, während diese Bilder ihrer Partnerin oder aber fremder Frauen betrachteten.

Der Anblick des Partners wirkt wie eine Droge auf unser Belohnungssystem © Tom S/ freeimages

Das Ergebnis: Hatten die Probanden vorher eine Dosis Oxytocin erhalten, reagierte ihr Belohnungssystem beim Anblick der Partnerin besonders stark. Die Männer empfanden dadurch ihre Partnerin als viel attraktiver und begehrenswerter als die anderen Frauen – und wären daher gar nicht erst in Versuchung, fremdzugehen. Ein weiterer Test ergab, dass dieser Effekt nur bei der Partnerin wirkt, nicht aber bei bloßen Bekannten und Freunden – bloße Vertrautheit reicht demnach nicht, um den Treue-Effekt auszulösen.

Partnerschaft als Sucht

„Dieser biologische Mechanismus der Zweisamkeit ist einer Droge sehr ähnlich“, sagt Hurlemann. Denn auch bei einer Sucht streben Menschen danach, das Belohnungssystem in ihrem Gehirn zu stimulieren. „Dies könnte auch erklären, warum Menschen nach einer Trennung von ihrem Partner in eine Depression oder tiefe Trauer verfallen: Das Belohnungssystem ist mangels Oxytocin-Ausschüttung unterstimuliert und quasi auf Entzug“, so der Forscher.

Allerdings wäre eine Therapie mit dem Kuschelhormon möglicherweise kontraproduktiv: Weil Oxytocin den verlorenen Partner attraktiver macht, könnte das Kuschelhormon den Trennungsschmerz nur noch größer machen.

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Nadja Podbregar
Stand: 17.07.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Oxytocin
Ein Kuschelhormon mit vielen (Neben-) Wirkungen

Bindung als Droge
Wie Oxytocin uns treu macht

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