Eindeutig städtisch ist dagegen die sumerische Stadt Uruk – sie gilt sogar als eine der ersten Megacities der Erde. Schon Ende des 5. Jahrtausends vor Christus lebten hier, am Euphratufer im Süden Mesopotamiens, bis zu 20.000 Einwohner. Rund tausend Jahre später waren es sogar bis zu 50.000.
Entsprechend riesig war das Stadtgebiet: Uruk erstreckte sich über 2,5 Quadratkilometer, das Umland mit seinen Vororten bildete einen Ring von sechs Kilometern um das Zentrum herum. Dies machte die Stadt zu einer der größten Metropolen ihrer Zeit – das ist unbestritten.
Typisch für eine Stadt waren aber nicht nur die dichte Bebauung und das geordnete Netz von Straßen. Uruk besaß auch schon die innere Struktur einer waschechten Stadt: Es gab mehrere Stadtteile, die sich in ihrer Funktion und ihren Bewohnern unterschieden. So war das Zentrum Uruks den Göttern vorbehalten: Hoch über der Stadt thronte das monumentale Heiligtum der Inanna, umgeben von weiteren Tempelbauten.
Am Westrand lag der Palastbezirk, in dem die Elite der Stadt residierte. Die Wohn- und Arbeitsviertel der Händler, Handwerker und anderen Angehörigen der einfachen Bevölkerung gruppierten sich um diese Gebiete herum.
Eine komplexe Infrastruktur
In der Innenstadt Uruks lagen große Verwaltungsgebäude, in denen Beamte die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Lebensmitteln und anderen Gütern regelten. Immerhin mussten in der Megacity Tausende von Arbeiten koordiniert, verschiedenste Handelswaren bestellt, gehandelt und abgerechnet werden und auch die damals üblichen Tributzahlungen bedurften der ständigen Kontrolle. Für die Wasserversorgung und das Ableiten der Abwässer sorgte ein komplexes Bewässerungssystem.
„Vergleicht man die Megacities von heute mit Uruk in Mesopotamien, so sind dort bereits alle ‚urban technologies‘ für ein funktionierendes Zusammenleben voll entwickelt“, erklärt Beate Salje, Direktorin des Vorderasiatischen Museums in Berlin. „Ein ausgeklügeltes Wirtschafts- und Verwaltungssystem stützt sich auf erste Schriftvorstufen, die auch weiträumigen Handel und Importe für eine rohstoffarme Region verwalten. Es entstehen Meisterleistungen der Architektur wie die ersten Wolkenkratzer – das Heiligtum Eanna – und eine 11,5 Kilometer lange Stadtmauer.“
Massenware made in Uruk
Zu einer Großstadt gehört aber auch ihr Einfluss weit über das Stadtgebiet hinaus. Zum einen müssen landwirtschaftliche Produkte aus dem Umland und von weiter her die Stadt mit Lebensmitteln versorgen. Umgekehrt dominiert die Stadt sowohl politisch als auch wirtschaftlich die gesamte Region. Uruk war schon um 4000 vor Christus ein überregional bedeutendes Handels- und Verwaltungszentrum.
Waren aus dem alten Uruk tauchen heute bei Ausgrabungen in ganz Mesopotamien auf. Ein Beispiel dafür ist eine eher grobe, einfache Tonschale, die in Uruk in Massenproduktion hergestellt wurde – möglicherweise ist sie sogar eine der ersten Massenwaren überhaupt. Sie war nahezu überall verbreitet – nicht weil sie so schön war, sondern weil sie damals als Standardmaß für die Entlohnung von Arbeitern mit Getreide galt.
Uruks Stellung als älteste Megacity der Welt scheint damit unangefochten. Aber war sie auch die älteste Stadt?
Nadja Podbregar
Stand: 03.07.2015