Hormonähnliche Umweltgifte sind nicht erst seit gestern ein Problem. Das wohl berühmt-berüchtigtste Beispiel findet sich schon seit über 50 Jahren in der Umwelt und wird das wahrscheinlich auch noch weitere 50 Jahre tun: das Insektenvernichtungsmittel Dichlor-diphenyl-trichlorethan, besser bekannt unter der Abkürzung DDT.
Umweltgifte ohne Verfallsdatum
DDT ist nur eine von vielen organischen Chemikalien, deren Moleküle mehrere Chlor-Atome enthalten. Diese chlorierten Kohlenwasserstoffe sind als hochwirksame Pflanzenschutzmittel geschätzt, außerdem sind sie relativ leicht herzustellen. Sie haben allerdings einen großen Haken: Chlor kommt in natürlichen Molekülen praktisch gar nicht vor. Darum gibt es nur extrem wenige Organismen, von einigen Bakterien abgesehen, die diese Stoffe abbauen können.
Weil die giftigen Substanzen auch chemisch sehr stabil sind, bleiben sie der Umwelt besonders lange auf unangenehme Weise erhalten – ein Abbau findet auch auf chemischem Wege kaum statt. Daher tragen sie auch den Sammelnamen „persistente organische Schadstoffe“ (persistent organic pollutants, POP). Sie zirkulieren in der Atmosphäre und dem Wasserkreislauf und finden letztendlich auch ihren Weg die Nahrungskette hinauf.
Das Ende des „dreckigen Dutzend“?
Zwölf besonders gefährliche Einzelsubstanzen oder Stoffklassen, gewissermaßen die POP-Stars, sind wegen ihrer schädlichen Langzeitfolgen seit 2004 durch die „Stockholmer Konvention über persistente organische Schadstoffe“ weltweit verboten. Zu diesem sogenannten „dreckigen Dutzend“ gehören neben DDT unter anderem auch die krebserregenden polychlorierten Biphenyle (PCB) und berüchtigte Umweltgifte wie Dioxine, Furane und Hexachlorbenzol.
Für DDT gilt allerdings eine wichtige Ausnahme: der Kampf gegen Malaria. DDT ist nach wie vor eines der effektivsten bekannten Insektenvernichtungsmittel. In Gebieten mit hohem Malaria-Risiko darf es daher weiterhin gegen die Anopheles-Mücke eingesetzt werden, die den Malaria-Erreger überträgt. In den 1950er und 1960er Jahren hatte DDT einen großen Anteil daran, die Zahl der Malaria-Infektionen weltweit deutlich zu senken. In vielen Regionen, darunter Südeuropa, ließ sich die Krankheit ganz ausrotten.
Verbote zeigen nur langsam Wirkung
Der Einsatz von DDT war auch vor dem Abschluss der Stockholmer Konvention in vielen Ländern bereits eingeschränkt oder untersagt, in Europa und den USA schon seit den 1970ern. Doch das Pestizid beweist seine Langlebigkeit: Es ist noch immer in allen Teilen der Erde nachweisbar. Der ehemals großflächige Einsatz hat das Mittel in der Atmosphäre verteilt.
DDT tritt durch Niederschläge selbst auf pflanzlichen Nahrungsmitteln auf, die nie damit besprüht wurden. Im Fettgewebe von Säugetieren und Fischen reichert es sich nach wie vor aus der Umwelt an, und auch in menschlicher Muttermilch sind noch hormonaktive Vertreter des dreckigen Dutzend messbar. Das Verbot zeigt jedoch Wirkung: Die seit den 1950er Jahren gestiegenen Werte von DDT und Co sind inzwischen wieder stark zurückgegangen.
Nachwirkungen des „dreckigen Dutzend“ werden jedoch noch lange erhalten bleiben. In den Polarregionen kommen mit den Luftströmungen zwar im Moment immer weniger DDT und PCB an. Der Klimawandel könnte diesen Trend jedoch noch einmal umkehren: Bis 2075 könnten veränderte Luftströmungen wieder mehr dieser Umweltgifte an die Pole tragen. Und in der dortigen Kälte halten sich die persistenten organischen Schadstoffe noch länger.
Ansgar Kretschmer
Stand: 12.06.2015