Können die Anpassungen der Tiere mit dem Klimawandel schritthalten? Diese Frage stellt sich auch mit Blick auf das „Symboltier des Klimawandels“, den Eisbären. Das Packeis in der Arktis taut infolge der Erderwärmung, die in der Nordpolarregion überproportional ausfällt, über die Frühjahre hinweg immer zeitiger. Im Herbst frieren die großen Seen und Meeresbuchten erst später zu – ein Problem für den Polarbären, der auf dem Packeis Robben an ihren Atemlöchern nachstellt und sich im Winter, wenn alles zugefroren ist, den Speck für den mageren Sommer anfrisst.
Partnerfinden per Duftspur
Was bislang unbekannt war: Dem Eisbären schmilzt mit dem Packeis nicht nur der angestammte Lebensraum weg, er findet auch infolge des Klimawandels seine Paarungspartner nur noch erschwert. Eisbären haben die Eigenart, einzelgängerisch zu leben, riesige Strecken zu wandern und sich nur saisonal zu paaren. Auf Artgenossen treffen sie eher selten.
Die Schnauze schnüffelnd am Boden, auf dem Weg durch Schnee und Eis – ein typisches Bild des Eisbären. Was genau es damit auf sich hat, haben kürzlich US-Wissenschaftler herausgefunden: Das größte Landraubtier der Erde kommuniziert über Sekrete, die es mit den Tatzen im Eis hinterlässt. Die chemischen Signale empfängnisbereiter Eisbärinnen fungieren dabei als Werbebotschaft für mögliche Partner.
Schnüffeltest im Zoo
Das Team um Megan Owen vom Zoo San Diego sammelte dazu im Frühjahr in der Beaufortsee und der Tschuktschensee im Nordpolarmeer Geruchsmarken von den Schweißdrüsen der Eisbärtatzen. Aus diesen Schweißdrüsen geben die Eisbären Chemosignale ab, die ihren Artgenossen Informationen zu Geschlecht und Paarungsbereitschaft vermitteln. Die Geruchsproben präsentierten die Biologen anschließend Eisbären in zehn verschiedenen nordamerikanischen Zoos und testeten deren Reaktionen.
In den Experimenten zeigten die Zoo-Bärinnen vor allem im Frühjahr, wenn Paarungszeit ist, Interesse an den Gerüchen der wilden Eisbären – allerdings am Duft beider Geschlechter. Die männlichen Bären waren dagegen vorrangig am Duft der Damen interessiert. Stammte der Geruch von einer empfängnisbereiten Artgenossin, war das Interesse deutlich höher als bei Gerüchen von Bärinnen, die trächtig waren oder Junge hatten.
Duftfährten zerrissen
Die Klimaerwärmung in der Arktis stellt die Eisbären nun vor das Problem, dass ausgerechnet zur Paarungszeit im Frühjahr auch die „Duftrouten“ zerrissen werden. Das schmelzende Eis unterbricht die Fährten, denen die männlichen Bären auf der Suche nach Partnerinnen folgen. Die Fortpflanzung werde damit erheblich erschwert, so die Forscher. Das gelte auch, wenn Eis infolge der Klimaerwärmung eine weniger feste Konsistenz annehme.
Werden Eisbären bei der Suche nach Partnern nicht mehr von Duftspuren auf intaktem Packeis geleitet, irren sie zwischen Eisschollen oder im Schneematsch auf dünner gewordenen Eispanzern umher und verschwenden nutzlos Energie. „Werden diese Duftrouten durch eine Zerteilung des Habitats durchschnitten, können Eisbären Schwierigkeiten bekommen, Partner zu finden“, heißt es in der Studie. Männchen falle es zudem schwerer, aggressiven Rivalen frühzeitig auszuweichen.
Bedroht sind vom Klimawandel vor allem Eisbär-Populationen in der Südarktis. Diese brauche es aber, um die genetische Vielfalt der Art zu erhalten, so die Forscher. Notfalls müssten diese Populationen in Zuchtzentren in Gefangenschaft überführt werden, damit ihr Genpool erhalten bleibt, meinen sie.
Kai Althoetmar
Stand: 15.05.2015