Evolution

Mammutjäger auf Fischzug

Opportunistische Jagd je nach Angebot

Und auch mit einem anderen Vorurteil räumten Wissenschaftler mittlerweile auf: Neandertaler waren keine ausschließlichen „Mammutjäger“. Die oft dargestellten regelrechten Treibjagden, bei denen ganze Mammutherden mit Fackeln und Speeren über eine Klippe getrieben werden, lassen sich wissenschaftlich nicht belegen. Mammutknochen sind an Neandertaler-Fundstätten eher selten.

Das Wollmammut - auf dem Neandertaler-Speiseplan eher die Ausnahme als die Regel © Mauricio Antón / PLOS Biology, doi: 10.1371/journal.pbio.0060099.

Mammuts ja, aber nicht nur

Allerdings gibt es eine Ausnahme: Am Fundplatz La Cotte de St. Brelade auf der Kanalinsel Jersey haben Forscher ganze Haufen von Mammutknochen ausgegraben. Die Neandertaler dort haben offenbar immer wieder Mammuts erlegt und effizient ausgeschlachtet, wie Bearbeitungsspuren an den Knochen zeigen.

Aber auch hier waren die Neandertaler keine spezialisierten Mammutjäger. Unter den gefundenen Knochen befinden sich auch solche von Wollnashörnern, Rindern, Hirschen und Pferden. Geoff Smith vom Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution Monrepos in Neuwied erklärt, dass die Menschen dort vermutlich erlegten, was sich gerade anbot und jagen ließ: „Die Tierknochen zeigen, dass Neandertaler hier und anderswo ganz opportunistisch vorgegangen sind.“

Fisch statt Fleisch

Wie sehr sich die Neandertaler an das örtliche Nahrungsangebot anpassten, zeigt auch ein Fund aus dem Kaukasus: In dortigen Neandertaler-Höhlen lagen in etwa 45.000 Jahre alten archäologischen Schichten ganze Haufen von Fischgräten. Die Lachse, von denen die Gräten stammten, könnten allerdings auch von ebenfalls vor Ort lebenden Höhlenbären oder Höhlenlöwen verspeist worden sein.

Eine vergleichende Isotopenanalyse aller gefundenen Knochen zeigte jedoch: Die Bären waren Vegetarier, die Löwen jagten pflanzenfressende Tiere. Nach dem Ausschlussverfahren bleibt daher nur noch ein Kandidat als Lachs-Esser übrig: Die Neandertaler dieser Region waren offenbar erfolgreiche Fischer.

Diese Funde zeigen, dass die Neandertaler sich offensichtlich sehr gut an ihre Lebensumstände anzupassen wussten. Sie ernährten sich von dem, was ihr Lebensraum ihnen lieferte – und stellten sich dabei einen durchaus vielseitigen Speiseplan zusammen. Damit dürften sie sich kaum vom Homo sapiens unterschieden haben.

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Ansgar Kretschmer
Stand: 13.03.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Neandertaler
Neue Erkenntnisse über unsere Steinzeit-Cousins

Woher kamen die Neandertaler?
Der Weg der Frühmenschen nach Europa

Steinzeit-Technologie
Werkzeuge aus Feuerstein

Leichter Ersatz für scharfe Steine
Erfanden die Neandertaler Knochen als Werkzeug?

Speiseplan im Neandertal
Die Jäger und Sammler ernährten sich vielseitig

Mammutjäger auf Fischzug
Opportunistische Jagd je nach Angebot

"Steinzeitliche Zustände"
Wie lebten die Neandertaler?

Malereien, Schmuck und Schminke
Neandertaler beherrschten frühe Kulturtechniken

Du bist Neandertaler
Unser gemeinsames Erbe

Verdrängt und ausgestorben
Konkurrenzkampf mit dem modernen Menschen?

Das Ende
Fataler Klimawandel?

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