„Die Beherrschung des Feuers war ein entscheidender Wendepunkt in der Evolution des Menschen“, sagt Michael Chazan von der University of Toronto, einer der Entdecker der ältesten menschlichen Feuerspuren in der südafrikanischen Wonderwerk-Höhle. „Denn dieser Schritt berührte alle Elemente der menschlichen Gesellschaft.“
Feuer als Jagdwaffe
Schließlich war das Feuer nicht nur nützlich, um Nahrung zu kochen – es half auch dabei, Nahrung zu erlegen. Wie gezielt unsere Vorfahren das Feuer tatsächlich als Jagdwaffe einsetzten, ist allerdings umstritten. Australische Ureinwohner beispielsweise legten schon vor über 2.000 Jahren Brände, um Tierherden zusammenzutreiben und zu erlegen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass diese regelmäßigen Flächenbrände sogar von großer Bedeutung für die dortigen Ökosysteme sind, ähnlich wie die häufigen Buschbrände in Australien.
Die Treibjagden der Neandertaler auf Mammuts, bei denen ganze Herden mit Hilfe von Fackeln über eine Klippe getrieben worden sein sollen, hat es dagegen wahrscheinlich nicht gegeben – oder zumindest nur in Ausnahmefällen. Untersuchungen verbrannter Tierknochen aus Siedlungen dieser Frühmenschen haben gezeigt, dass Mammuts nur gelegentlich auf deren Speiseplan standen.
Noch nicht an der Spitze der Nahrungskette
Zweifellos genossen die frühen Menschen aber den Schutz vor Raubtieren, den ihnen ein brennendes Feuer gewährte. Diesen Schutz hatten sie wahrscheinlich bitter nötig. Untersuchungen zufolge hielten Frühmenschen wie Homo habilis vor etwa zwei Millionen Jahren keinesfalls eine unangefochtene Position an der Spitze der Nahrungskette inne. Im Gegenteil: Verschiedene Arten prähistorischer und mittlerweile ausgestorbener Raubkatzen ernährten sich möglicherweise gewohnheitsmäßig von frühen Menschen. Darauf deuten Isotopenanalysen vom fossilen Zahnschmelz solcher Katzen hin.
Mit dem Schutz durch das Feuer entfiel die zwingende Notwendigkeit eines sicheren Unterschlupfs und längere Wanderungen waren möglich. Manche Wissenschaftler sind der Ansicht, erst die Sicherheit des Feuers erlaubte es den affenähnlichen Vorfahren des Menschen, die Lebensweise in den Bäumen gegen das weitaus gefährlichere Leben am Boden einzutauschen. Dies wiederum war Voraussetzung für den aufrechten Gang und schließlich die Ausbreitung des Menschen von Afrika über die ganze Welt.
Licht und Wärme
Im Feuerschein ließen sich außerdem noch viele Dinge erledigen, die zuvor im Dunkel der Nacht nicht möglich waren: Werkzeuge herstellen oder Felle bearbeiten etwa. Das Feuer erweiterte also nicht nur den räumlichen Aktionsradius des Menschen, sondern auch die Zeitspanne seiner Aktivität während eines Tages – ebenfalls ein riesiger Vorteil im Kampf ums Überleben.
Feuer spendete zudem Wärme, wann immer diese nötig war. Dadurch waren die Menschen schließlich nicht mehr auf schützende Körperbehaarung angewiesen. Ohne eigenes dichtes Fell waren wiederum wesentlich höhere körperliche Anstrengungen möglich, ohne dass der Körper überhitzte. Auch dies gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg zum aufrechten Gang des Menschen. Vor allem aber bei der Ausdauer-Jagd auf schnelle Beutetiere gewannen die Menschen große Vorteile.
Ansgar Kretschmer
Stand: 23.01.2015