Wie wichtig das Feuer seit den Anfängen der Menschheitsgeschichte ist, ist in Mythologien auf der ganzen Welt erkennbar. Unzählbare Legenden berichten, wie der Mensch Zugang zum Feuer erlangte. Auffällig dabei ist ein wiederkehrendes Thema: Oft ist es ein besonders listiger oder wagemutiger Held, der das Feuer stiehlt und den Menschen bringt.
Die Legende vom Feuerdiebstahl
Beispielhaft dafür ist vor allem der altgriechische Mythos um den Titanen Prometheus. Nachdem er zunächst die Menschen erschaffen hat, bringt Zeus, der oberste der Götter, das Feuer aus deren Reichweite. Prometheus jedoch entzündet einen Pflanzenstängel am Sonnenwagen und bringt es zu den Menschen. Angeblich verwendete er für den Transport den Stängel des wilden Fenchels – dessen Mark wurde im Mittelmeerraum lange als Zunder verwendet, ein naheliegender Träger für das Feuer also.
Ähnliche Legenden finden sich rund um die Welt, bei Ureinwohnern von Polynesien bis Amerika. Oft sind es den Menschen wohlgesonnene Tiergeister, die das Feuer stehlen. Die Legende vom Feuerdiebstahl deutet auf die Anfänge der Nutzung des Feuers durch den Menschen hin. Anstatt es selbst entzünden zu können, mussten die Flammen noch den Naturgewalten wie Waldbränden oder Vulkanen entrissen werden.
Von Geburtstagskerze bis Grablicht
Dementsprechend wichtig waren solche Orte für die Mythologien: Die Werkstatt des römischen Schmiedegottes Vulkanus, dem Namensgeber aller Vulkane, sollte sich im Herzen des Ätna auf Sizilien befinden. Amerikanische Ureinwohner verehrten die Vulkane der Kaskadenkette wie den Mount Rainier oder den Mount St. Helens als Gottheiten – viele davon launisch und mit aufbrausendem Charakter. So sollten die heute als Mount Hood und Mount Adams bekannten Vulkane sich in ständigem Streit um ein wunderschönes Mädchen, den Mount St. Helens, befinden.
Das lebensnotwendige Feuer war besonders verehrungswürdig. Das nährende Herdfeuer im Tempel der römischen Göttin Vesta durfte niemals verlöschen. Und noch heute findet sich die Symbolik vom Feuer als Lebensspender an vielen Stellen. „Ewige Lichter“ stehen für ewiges Leben oder dauerhafte Erinnerung, in Grablichtern auf Friedhöfen oder an historischen Gedenkstätten wie dem Friedensdenkmal in Hiroshima oder dem Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft in München. Einige der höchsten Feiertage feiern wir traditionell mit Freudenfeuern oder Feuerwerk: Ostern, die Sonnenwenden und den Anfang des neuen Jahres. Brennende Kerzen gehören für viele Menschen auf jeden Geburtstagskuchen, um die Lebensjahre darzustellen.
Weltenbrand und Wiedergeburt
Aber auch die vernichtende Natur der Flammen ist ein wiederkehrendes Motiv. Höllenfeuer und ein brennender Weltuntergang sind wichtige Elemente christlicher Überlieferung. Die Vorstellung, dass die Welt im Feuer untergeht, taucht auch in der nordischen Mythologie auf: Der Feuergott Loki wechselt im Verlauf der Geschichte die Seiten und wird zum Verräter, ähnlich tückisch wie das wechselhafte Feuer. Am Ende ist es aber der Feuerriese Surt, der den Weltenbrand entfachen und die ganze Erde verbrennen wird. Doch auch die Asche bringt neues Leben hervor: Der mythische Vogel Phönix verbrennt sich selbst am Ende seines Lebens und wird neu geboren.
Für die frühen griechischen Philosophen im ersten Jahrtausend vor Christus war das Feuer so wichtig, dass sie es zu einem der Grundbausteine der gesamten Schöpfung erklärten. Feuer, Wasser, Erde und Luft sollten demnach die Elemente sein, aus denen alles bestand. Diese Vier-Elemente-Lehre hielt sich in Europa, mit einigen Abwandlungen im Laufe der Zeit, noch bis ins 17. Jahrhundert. Die Erklärung schien oft offensichtlich: Holz bestand demnach eindeutig aus Feuer und Erde. Zündete man es an und lockte das Feuer heraus, so blieb Erde in Form von Asche übrig. Erst die Alchimisten und deren Nachfolger, die Chemiker, prägten schließlich den Begriff des chemischen Elements, wie wir ihn heute kennen.
Ansgar Kretschmer
Stand: 23.01.2015