Vor rund 4.000 Jahren war Mitteleuropa alles andere als ein Nabel der Welt – eher im Gegenteil. Denn die großen kulturellen Durchbrüche fanden damals anderswo statt: Am Mittelmeer, in Mesopotamien, Ägypten und im fernen Indien blühten die Hochkulturen, die Menschen dort bauten Großstädte, kommunizierten per Schrift und entwickelten komplexe Gesellschafts- und Verwaltungsstrukturen. Von ihren Errungenschaften zeugen die zahlreichen schriftlichen Zeugnisse, die diese Kulturen hinterließen.
Das Problem der fehlenden Schrift
In Mittel- und Nordeuropa dagegen klafft in dieser Hinsicht eine große Lücke. Denn die bronzezeitlichen Kulturen dieser Region kannten noch keine Schrift. Wie die Menschen der Aunjetitzer Kultur, der Hügelgräber- und Urnenfelderkultur lebten, was sie glaubten und was sie über ihre Umwelt und den Himmel wussten, ist daher bis heute kaum bekannt. Selbst die Kelten der Römerzeit zogen mündliche Überlieferungen den schriftlichen Aufzeichnungen vor.
Wenn man daher wissen will, wie die Weltsicht unserer Vorfahren damals aussah, muss man „stumme Zeugen“ heranziehen: Archäologische Funde, die auch ohne Schrift einen Hinweis auf die Lebensweise und das Wissen der Menschen im bronzezeitlichen Europa geben. Indizien dafür liefern heute vor allem Relikte von Bauten und rituellen Anlagen, Gräber und verzierte Gebrauchsgegenstände wie Keramiken oder kupferne und bronzene Schmuckstücke und Waffen.
Einfache Dörfer, Bergbau und Handel
Diese archäologische Funde zeichnen ein eher einfaches Bild: Die Menschen lebten in kleinen Höfen oder Dörfern, ihre Häuser waren aus Holz, manchmal mit Steinfundamenten. Großstädte oder gar Monumentalbauten sucht man hier vergeblich. Die Gesellschaftsstruktur war wenig hierarchisch, es gab meist nur lokale Anführer.
Im Bergbau und in der Kunst der Metallverarbeitung dagegen waren unsere Vorfahren bereits sehr fortschrittlich: Sie bauten Kupfer und andere Erze ab und schufen kunstvoll verzierte Schmuckstücke, Waffen und Kultgegenstände. Auch Handelsbeziehungen nach Süden und nach Skandinavien gab es damals bereits. So wurde Erz über die Alpen und nach Osten transportiert, die Bernsteinroute verband das Baltikum mit den Hochkulturen des Mittelmeeres.
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Was wussten sie über den Himmel?
Wie aber sah es mit dem astronomischen Wissen aus? Wie gut kannten die Europäer der Bronzezeit den Sternenhimmel und die Gesetzmäßigkeiten von Sonne und Mond? Theoretisch wäre es möglich, dass mit den Handelsgütern fortgeschrittenes astronomisches Wissen aus dem Vorderen Orient bis nach Mitteleuropa kam. Andererseits weiß man, dass auch die europäischen Kulturen der Steinzeit schon über astronomische Kenntnisse verfügten und sie als Zeitgeber für rituelle und landwirtschaftliche Ereignisse nutzten – Stichwort Stonehenge und Goseck.
Dass dieses Wissen auch in der Bronzezeit nicht verloren gegangen war und sogar noch weiter entwickelt wurde, darauf deuten in den letzten Jahren aber eine Handvoll „stummer Zeugen“ hin.
Nadja Podbregar
Stand: 28.11.2014