Per WhatsApp chatten anstatt sich mit Freunden zu treffen, die Urlaubsfotos auf Facebook posten statt sie persönlich zu zeigen, Computer spielen statt auszugehen: Digitale Medien nehmen im Alltag heute einen immer größeren Stellenwert ein. Doch bei einigen Menschen geht dies so weit, dass sie nicht mehr davon loskommen: Sie sind internetsüchtig. Sie spielen exzessiv Online-Computerspiele, oft mehr als fünf Stunden am Tag, andere sind süchtig nach Cybersex oder ständig in sozialen Netzwerken unterwegs.
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Online-Zeit allein ist noch kein Anzeiger für eine Sucht
Schätzungen zufolge sind etwa ein Prozent der Deutschen im Alter zwischen 14 und 64 Jahren internetabhängig – eine halbe Million Menschen. Schaut man nur auf die 14- bis 16-jährigen, sind es sogar vier Prozent. Das ergab eine vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Studie. Aber was ist noch eine normale, wenn auch exzessive Nutzung von Online-Medien und wo beginnt die Sucht?
Klar ist: Die Zeit, die jemand am Smartphone oder vor dem Computer verbringt, ist allein noch kein eindeutiges Anzeichen für eine Internetsucht. Anders ist dies, wenn die Betroffenen beginnen, andere Interessen wie Freunde, Sport oder Hobbys komplett zu vernachlässigen und wenn ihre Gedanken ständig um die virtuelle Welt kreisen. Meist leiden dann auch Leistungen in der Schule oder dem Beruf entsprechend. In Extremfällen nimmt das Spielen oder Chatten so großen Raum ein, dass selbst Körperpflege und Ernährung vernachlässigt werden.
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Kontrollverlust und Entzugserscheinungen
Hinzu kommt ein zunehmender Kontrollverlust: Onlinesüchtige kommen vom PC einfach nicht los – auch wenn ihnen die schädlichen Folgen bewusst sind. Diese zwanghaften Handlungen wirken ähnlich auf das Gehirn wie der Konsum von Drogen. Auch beim Online-Gaming wird vermehrt das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Das aber führt im Laufe der Zeit wie bei Drogen zu einem Gewöhnungseffekt: Die Zahl der Dopamin-Rezeptoren nimmt ab, wie chinesische Forscher vor kurzem nachgewiesen haben.
Um trotz Gewöhnungseffekt den erwünschten Kick und die Befriedigung zu erhalten, verbringen die Betroffenen immer mehr Zeit am Rechner. Klappt dies nicht oder werden sie gezwungen, auf Computer oder Smartphone zu verzichten, treten Entzugserscheinungen auf: Gereiztheit, innere Unruhe oder Aggressivität. Und noch etwas hat die Internetsucht mit klassischen Süchten gemeinsam: Die meisten Betroffenen sind sich dessen nicht bewusst oder wollen ihr Problem nicht wahrhaben.
RUBIN / Julia Weiler / NPO
Stand: 14.11.2014