Der Mediziner Bert te Wildt von der LWL-Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum verbringt etwa drei Viertel seines klinischen Arbeitsalltags mit internetabhängigen Patienten. Drei bis fünf von ihnen kommen pro Woche auf der Suche nach Hilfe in die LWL-Klinik der Ruhr-Universität.
Gefangen in einem Teufelskreis
„Betroffen sind vor allem junge Männer, die zumeist schon in einem Übermaß mit Internet und Computerspielen aufgewachsen sind“, sagt der Mediziner. „Die Heranwachsenden kommen mit den zunehmenden Anforderungen an Leistungen und Autonomie nicht zurecht. Im Cyberspace spielen sie den strahlenden Helden.“ Wie bei Substanzabhängigkeiten geraten die Betroffenen in einen Teufelskreis der Sucht. „Am Ende hält ausschließlich die virtuelle Welt noch positive Erlebnisse bereit“, so te Wildt.
Inzwischen hat die „American Psychiatric Association“ die Computerspielabhängigkeit auch in das weitverbreitete Diagnosehandbuch „DSM“ (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) aufgenommen. Für eine generelle Internetabhängigkeit beziehungsweise weitere Subformen gibt es bislang aber keine allgemeingültigen Kriterien.
Die Internetsucht kommt selten allein
Am Universitätsklinikum erforscht te Wildt unter anderem, wie die Medienabhängigkeit mit anderen Erkrankungen zusammenhängt. Dazu erfasste er mit seinem Team die Begleiterkrankungen, unter denen internetabhängige Menschen häufig leiden, das sogenannte Komorbiditätsprofil. Um es zu ermitteln, führten die Wissenschaftler mit 25 Patientinnen und Patienten strukturierte klinische Interviews durch, mit denen sich verschiedene psychische Störungen diagnostizieren lassen.
Das Ergebnis: Alle getesteten Internetabhängigen wiesen mindestens eine Begleiterkrankung auf. 70 Prozent von ihnen litten an einer depressiven Störung. Außerdem traten Angsterkrankungen auf, insbesondere soziale Phobien, und das Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätssyndrom, kurz ADHS. Zum Vergleich ermittelten die Forscher das Komorbiditätsprofil von Alkoholabhängigen. Es sah ganz ähnlich aus: depressive Störungen, Angsterkrankungen und ADHS. Im Gegensatz zu Internetabhängigen war allerdings nur etwa jeder zweite Alkoholabhängige von einer Begleiterkrankung betroffen.
„Diese Ergebnisse verdeutlichen die große Bedeutung der Komorbidität für die Internetabhängigkeit“, resümiert te Wildt. Bleibt die Frage, ob die Internetabhängigkeit zuerst da war oder ob sie nur Folge einer anderen Erkrankung ist. „Das ist natürlich keine Einbahnstraße“, sagt der Mediziner, „sondern bedingt sich gegenseitig.“
RUBIN / Julia Weiler / Ruhr-Universität Bochum
Stand: 14.11.2014