Dass es vor und nach unserem Universum noch weitere gab und geben wird, glaubt auch der Physiker Lee Smolin vom Perimeter Institute im kanadischen Waterloo. Er geht davon aus, dass sogar überall in unserem Kosmos Keimzellen für neue, parallele Universen versteckt sein könnten – im Inneren Schwarzer Löcher.
Schwarze Löcher sind Exoten im Kosmos: Ihr Inneres lässt sich – ebenso wie der Urknall – nicht mit den Mitteln der klassischen Physik beschreiben. Denn in einem Schwarzen Loch ist Materie unendlich dicht komprimiert und die Raumzeit wird so stark deformiert, dass sogar die Zeit stillstehen könnte. Und genau hier setzt Smolins Theorie an: „In dem Moment, in dem der Einstein’schen Physik nach die Zeit stoppt, greift die Quantenmechanik und ihre Unschärfe“, erklärt der Physiker.
Singularität als Urknall
Ähnlich wie beim Urknall könnte daher im Inneren des Schwarze Lochs eine winzige Region sich inflationär aufblähenden Raumes entstehen, der Keim eines neuen Universums. „Der Punkt, an dem die Zeit in einem Schwarzen Loch endet, verbindet sich mit dem Punkt, an dem die Zeit im Urknall eines neuen Universums beginnt“, so Smolin. Dieses Baby-Universum wächst aber nicht in unserem eigenen Universum heran, sondern schnürt sich kurz nach seiner Entstehung quasi nach außen ab wie die Knospe einer sich teilenden Hefezelle.
Auch unser Universum könnte demnach einst in einem Schwarzen Loch eines anderen Universums entstanden sein. Der Urknall wäre dann zwar für uns ein Uranfang, nicht aber für alles Existierende. Stattdessen gibt es Smolins Vorstellung nach unzählige parallele Universen, die ihrerseits wieder Baby-Universen abschnüren. Weil das Innere eines Schwarzen Lochs für uns unerreichbar und auch nicht beobachtbar ist, könnten theoretisch auch einige von ihnen in unserer Galaxie zur Keimzelle eines neuen Universums werden – bemerken würden wir davon nichts.
Kosmische Vererbung
Nach Smolins Multiversums-Modell gibt es sogar eine Art „Vererbung“ zwischen den Universen: Bei jedem Urknall erbt das Baby-Universum auch den Großteil der physikalischen Gesetze und Parameter von seinem Elternuniversum – aber mit kleinen Variationen, quasi den Mutationen im physikalischen Erbgut. So könnte in einem Nachfolge-Universum vielleicht ein Elementarteilchen etwas schwerer sein oder die Gravitation etwas schwächer.
Unser Universum wäre demnach das Produkt einer langen, viele Universum-Generationen andauernden Evolution und Selektion. Und diese sorgte dafür, dass die kosmischen Stellköpfe bei uns so eingestellt sind, dass die Teilchen und Kräfte viele Sterne und damit auch viele Schwarze Löcher entstehen ließen.
Nadja Podbregar
Stand: 07.11.2014