Für die 270 Patienten, die sich 2006 am Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston vorstellten, ging es nur um eines: Sie wollten ihre Schmerzen in Handgelenk, Arm oder Schulter loswerden. Deshalb erklärten sie sich bereit, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Bei dieser sollte die Wirksamkeit von Akupunktur und dem auch gegen chronische Schmerzen eingesetzten Antidepressivum Amitriptylin getestet werden – so glaubten sie jedenfalls.
Und tatsächlich zeigten sich nach zwei Wochen die ersten Effekte: Die meisten der Patienten, die regelmäßig eine Akupunktur erhielten, erlebten eine deutliche Besserung ihrer Schmerzen und auch in der Gruppe mit dem Antidepressivum nahm die Schmerzintensität bei vielen ab. Allerdings klagte immerhin ein Drittel der Probanden auch über erhebliche Nebenwirkungen: In der Tablettengruppe häuften sich Schwindel, Kopfschmerzen und innere Unruhe, in der Akupunkturgruppe traten Hautrötungen, Schmerzen an den Einstichstellen und in einigen Fällen sogar Schwellungen auf.
Wirkung trotz Zuckerpille
Insgesamt nichts Ungewöhnliches, sollte man meinen. Schließlich handelte es sich um ziemlich genau das, was man bei diesen Therapien auch erwarten würde. Seltsam nur: Ein Großteil der Probanden hatte gar keine wirksame Behandlung erhalten – weder die Akupunktur noch das Medikament. Stattdessen hatten die Forscher ihnen entweder eine wirkstofflose Zuckerpille verabreicht oder aber eine Scheinakupunktur mit Nadeln, die nur auf die Haut aufgesetzt wurden. Diese Probanden hätten daher weder Wirkung noch Nebenwirkungen spüren dürfen – und taten es trotzdem.
Der Grund dafür ist der Placebo-Effekt – oder im Falle der Nebenwirkungen sein negativer Vetter, der Nocebo-Effekt. Beide sorgen dafür, dass selbst wirkungslose Behandlungen reale, physiologisch messbare Folgen verursachen. Die durch Zuckerpille oder Scheinakupunktur geheilten Patienten bilden sich ihre Schmerzlinderung dabei nicht nur nicht ein, sie ist ebenso real wie die Wirkung eines Schmerzmittels. Umgekehrt sind auch die Nebenwirkungen mehr als bloße Autosuggestion.
Mehr als nur Psychologie und Suggestion
Dass es dabei nicht nur um rein psychologische Effekte geht, zeigte bereits eine Studie in den 1950er Jahren. In ihr wurde ein chirurgisches Verfahren getestet, bei dem eine Abschnürung der inneren Brustkorb-Arterie die Durchblutung der Herzkranzgefäße verbessern sollte. Diese Abschnürung führten die Ärzte jedoch nur bei der Hälfte der Patienten tatsächlich durch, bei den restlichen schnitten sie nur die Haut auf, um einen Eingriff vorzutäuschen.
Das Ergebnis erstaunte: In beiden Gruppen verbesserte sich die Durchblutung bei etwa einem Drittel der Patienten – unabhängig davon, ob sie die echte Operation erhalten hatten oder nur die vorgetäuschte. Für die Wirksamkeit der chirurgischen Methode sprach dies nicht gerade, sie wurde daher auch verworfen. Das Beispiel illustriert aber sehr gut, wie real die Effekte eines Placebos sein können.
Aber wie funktioniert das Ganze?
Nadja Podbregar
Stand: 17.10.2014