Harald Groß weiß, wo der Schatz im Bach verborgen liegt, genau hier, im Reich des sanften Plätscherns zwischen Pestwurz und Brennnesseln. Mit routiniertem Griff zieht er das löchrige Plastik-Überraschungsei an Land. Der 49-jährige Doktor der Biologie aus Bad Münstereifel ist als Flusskrebsfachmann in halb Europa bekannt. Als Gewässerbiologe im Dienst des Kreises Euskirchen kennt er sein Eifler Revier mit seinen Kleinoden wie dem idyllischen Schafbach bei Blankenheim.
Aus dem braunen aufklappbaren Plastikbehälter lässt der Forscher zwei verloren wirkende Edelkrebse in eine Plastikwanne purzeln. „Die habe ich vorher in die Reuse reingetan“, scherzt Groß. Spaß beiseite: Die seltenen Scherentiere sind im Naturschutzgebiet Schafbach heimisch und dort aufgewachsen – lebendiges Zeugnis einer erfolgreichen Wiederansiedlung. Nach Jahrzehnten des Niedergangs der Flusskrebse in Deutschland und Europa ist das ein großer Erfolg.
Beschränkter Bewegungsradius
Rund tausend Edelkrebse haben Groß und Mitstreiter in drei Bächen der Region eingesetzt. Der letzte Besatz im Schafbach stammt von 2005. Nachkontrollen zeigten, dass sich die Tiere auf Dauer nur dort fortpflanzten. Flusskrebse brauchen ideale Bedingungen. Die Fichten am Schafbach wurden abgeholzt, ein Auenwald entstand – mit mehr Schatten und kühleren Temperaturen. Langsam mäandert der Bach, und das Totholz bleibt liegen, das mögen die Flusskrebse.
Von März bis zur Paarung im Herbst zeigen sich die nachtaktiven Krabbeltiere, wenn sie in der Dämmerung dem Bach entsteigen. Naturkundler können sich dann mit Taschenlampen auf die Lauer legen, müssen aber Kescher und Reuse daheim lassen, denn heimische Flusskrebse sind ganzjährig geschützt. Ihr Bewegungsradius beschränkt sich meist auf wenige Meter rund um die Höhle im Bach. Groß hat es getestet. „Wir markieren die Krebse mit kleinen Kerben, die in den Schwanzfächer geschnitten werden“, sagt er. „Andere machen das mit Leuchtmarker oder Nagellack.“ Später werden die Fundorte verglichen.
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Nur noch wenige Restbestände
Der Edelkrebs, auch Europäischer Flusskrebs genannt, war einst in Mitteleuropas Binnengewässern weit verbreitet. Dann rasierte eine tödliche Infektion, die Krebspest, seine Bestände – auch die der heimischen Steinkrebse und Dohlenkrebse. Der Seuchenzug durch Europas Fließ- und Stillgewässer, den eingeschleppte amerikanische Flusskrebsarten ausgelöst hatten, hat bis heute keinen Halt gefunden. Die einst blühenden europäischen Flusskrebsbestände sind bis auf wenige Restvorkommen kollabiert.
Heute konzentrieren sich Edelkrebse in Deutschland auf kleine Inselvorkommen in isolierten Gewässern und Oberläufen. „Ein großer Teil der bekannten Vorkommen geht auf Ansiedlungsprojekte zurück“, weiß Harald Groß. In Deutschland gilt die Art als vom Aussterben bedroht.
Der Steinkrebs, der kalte Bachoberläufe mag, kommt im Süden Deutschlands noch häufiger vor, gilt aber als gefährdet. Historisch ist der kleinste der europäischen Flusskrebse vor allem in Südosteuropa verbreitet. Sein Verwandter, der Dohlenkrebs, lebt in Deutschland seit jeher nur im Süden Baden-Württembergs und ist vom Aussterben bedroht.
Kai Althoetmar
Stand: 02.10.2014