Auch wenn Leonardo sich stets mehr als Künstler denn als Erfinder sah, so verstand er doch die mögliche Bedeutung seiner Erfindungen und setzte dieses Wissen zu seinem Vorteil ein. In einem regelrechten Bewerbungsschreiben an Herzog Sforza pries er neben seiner künstlerischen Begabung auch seine mechanischen Kenntnisse an und versprach die Entwicklung und den Bau zahlreicher überlegener Waffen. Existierende Waffentechnik wollte Leonardo verbessern, aber auch völlig neue Ideen entwickeln.
Aufrüstung für Fahrzeuge und Schiffe
An solchen herrschte zur Zeit der Renaissance großer Bedarf: Die verschiedenen Stadtstaaten Norditaliens lagen regelmäßig in offenem Konflikt miteinander. Zu den kühnsten Vorschlägen Leonardo da Vincis gehört wahrscheinlich die frühe Version eines Panzers: Einem Entwurf nach sollte ein Ochsengespann einen großen Karren unter einem stabilen Schutzdach fortbewegen. Rund um das Gespann starrte das Gefährt vor Kanonen – Leonardo zufolge sollte dieses Gerät jede Infanterie in Schrecken versetzen. Tatsächlich gebaut wurde dieser Panzer nicht, wahrscheinlich weil er viel zu schwer gewesen wäre.
Für die Seefahrt entwickelte Leonardo eine Neuerung, die auch in moderner Zeit wieder eingeführt wurde: Schiffe sind wesentlich widerstandsfähiger, wenn sie einen doppelwandigen Rumpf haben. Nimmt die äußere Wand Schaden, sei es durch einen Unfall oder im hitzigen Seegefecht, so verhindert die innere Wand, dass das Schiff sofort leckschlägt und sinkt. Leonardos Aufzeichnungen zeigen verschiedene solcher Schiffe – heute ist der Doppelwandrumpf Pflicht für Öltanker und Passagierschiffe gleichermaßen.
Doch Leonardo verfeinerte und entwarf bei weitem nicht nur Kriegsgerät. Unter seinen zahllosen Entwürfen finden sich auch hilfreiche Konstruktionen wie Kräne und Brücken. Besonders die beweglichen Teile müssen Leonardo fasziniert haben: Flaschenzüge waren zu seiner Zeit zwar bereits bekannt, aber kaum jemand dürfte sie so umfassend zur Arbeitserleichterung eingesetzt haben.
Fortschrittliche Bauteile für geniale Maschinen
Den Einsatz von Zahnrädern und Getrieben brachte Leonardo da Vinci zur Perfektion. Kaum eine seiner Konstruktionen kommt ohne einen solchen Antrieb aus. Der Erfinder nutzte effektiv die Kraftübertragung durch Zahnräder und den Vorteil der Übersetzung von kleinen auf größere Räder. Schließlich nutzte er nicht nur Zahnradgetriebe, sondern auch fortschrittliche Schneckengetriebe. Diese ermöglichen noch höhere Übersetzungen, und sind gleichzeitig stabiler.
Zusätzlich dazu ersann der Tüftler auch einen Vorläufer heutiger Kugellager. Leonardo erkannte, dass einige Kugeln, die in einem derartigen Lager umeinander laufen, eine Achse mit deutlich weniger Reibung stützen können. Allerdings verwendete er noch Kugeln aus Hartholz, die im Vergleich mit modernem Stahl natürlich drastisch weniger effektiv sind und sich außerdem schneller abnutzen.
Mit all diesen Bauteilen entstanden Kräne, Drehbrücken, auch eine Art großer Bohrmaschine, die bemerkenswert dem Aufbau heutiger Ölbohrtürme ähnelt. Mit diesem schweren Gerät führte Leonardo „Forschungsbohrungen“ durch, um das Grundwasser zu untersuchen. Es ließen sich jedoch auch hervorragend Brunnen zur Wasserversorgung damit anlegen.
Ansgar Kretschmer
Stand: 26.09.2014