Als Künstler war er bereits zu Lebzeiten anerkannt, und seine mechanischen Geräte dürften ebenfalls für Aufsehen gesorgt haben. Als Wissenschaftler setzte sich Leonardo da Vinci jedoch nicht durch: Er hat nie studiert und auch nie eine wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht. Latein, die damalige Sprache der Wissenschaft, brachte er sich lediglich in Grundzügen selbst bei und verwendete es nie in seinen Aufzeichnungen.
Geheimniskrämerei oder Pragmatismus
Für die Nachwelt blieben zunächst nur seine Kunstwerke. Die meisten seiner Aufzeichnungen gingen nach seinem Tod im Jahr 1519 an seinen Schüler Francesco Melzi. Nach dessen Tod zerstreuten sich die Bücher und Blätter, die meisten gelangten um das Jahr 1637 in die Bibliothek von Mailand. Dort verliert sich die Spur, nach und nach tauchten jedoch einzelne Seiten oder gebundene Bücher wieder auf. Diese Manuskripte Leonardos befinden sich heute in Mailand, Madrid, Paris, London und Rom.
Allen gemeinsam ist Leonardos ganz eigene Handschrift: Sie verläuft gespiegelt, von rechts nach links. Der Grund für diese eigenwillige Schreibweise könnte Geheimniskrämerei sein – Spiegelschrift ist zumindest bei flüchtigem Betrachten nicht so schnell zu erfassen. Genauso gut könnte es aber sein, dass der linkshändige Leonardo schlicht pragmatisch dachte: Beim Schreiben mit der linken Hand von rechts nach links verwischt die Tinte nicht so leicht.
Das rätselhafte Lächeln
Vielleicht ist Leonardos Name auch deshalb so von Mysterien umrankt, weil seine Aufzeichnungen lange verschollen waren und in einer eigenen Schrift verfasst sind. Ebenso geheimnisumwoben ist die Mona Lisa: Die meisten Kunsthistoriker gehen davon aus, dass die abgebildete Dame mit dem rätselhaften Lächeln die Florentinerin Lisa del Giocondo ist. Dies zeigt auch der italienische Name des Bildes „La Gioconda“.
Es existiert aber auch eine Theorie, nach der es sich bei dem Modell nicht um eine Frau, sondern einen Mann handelt: Leonardos Schüler und möglicherweise Geliebten Salai, der das Bild nach Leonardos Tod erbte. Denn stellt man die Buchstaben in „Mona Lisa“ nur ein wenig um, ergibt sich „Mon Salai“.
Schädel-Modell von Leonardo da Vinci?
Es ist also auch nicht überraschend, dass Leonardo da Vinci auch Einzug in Verschwörungsgeschichten wie „The da Vinci Code“ (Sakrileg) des Schriftstellers Dan Brown gefunden hat. Eine ähnlich mysteriöse Suche hat sich jedoch tatsächlich zugetragen: Ein deutsches Ehepaar erstand im Jahr 1987 in einem Antiquitätenladen das Modell eines menschlichen Schädels. Diese Miniatur zeigt außergewöhnlich viele anatomische Details. Handelte es sich dabei um ein Kunstwerk Leonardo da Vincis?
Verschiedene Wissenschaftler untersuchten den Ursprung des Schädels. Zuerst fiel eine große Ähnlichkeit mit einer anatomischen Zeichnung Leonardos auf: Der Mini-Schädel zeigt dieselbe pathologische Verformung und hat ebenfalls keinen Unterkiefer. Allerdings könnte sich auch ein anderer Künstler von dieser Skizze inspirieren lassen haben. Weitere Hinweise liefert jedoch das Material, aus dem das Modell angefertigt ist. Bei dem Gemisch aus Achat, Quarz, Gips und anderen Bindematerialien handelt es sich um sogenannten „Mistoni“, den Leonardo da Vinci auf der Suche nach neuen Materialien selbst erfunden hatte.
Und auch mysteriöse Spuren gibt es, die auf Leonardo da Vinci hindeuten: Hauchfein eingraviert auf dem Schädel sollen unter anderem eine Schlange und eine Rose erkennbar sein – bekannte Signaturen des Künstlers. Es ist also sehr gut möglich, dass Leonardo selbst diese Miniatur anfertigte und möglicherweise als anatomisches Modell oder auch als Handschmeichler nutzte. Auch in dieser Form hat Leonardo da Vinci Spuren hinterlassen, die bis heute Menschen faszinieren.
Ansgar Kretschmer
Stand: 26.09.2014