Die meisten Brocken im Asteroidengürtel ziehen ihre Bahn allein – unabhängig von den anderen großen und kleinen Asteroiden im Ring. Doch es gibt unter ihnen auch Ausnahmen: Ansammlungen von nur lose durch die Schwerkraft zusammengehaltenen kleineren Brocken, die im gleichen Orbit um die Sonne kreisen und sich dabei mehr oder weniger nahe sind. Einige dieser Kombi-Asteroiden bilden dabei Paare aus zwei Einzelbrocken, wie der tschechische Astronom David Vokrouhlicky im Jahr 2008 entdeckte.
Wie aber kommen solche Paare zustande? Sind die aus der Spaltung eines Ursprungsbrockens hervorgegangen? Oder haben sich hier zwei Partner nachträglich gefunden und durch ihre Schwerkraft quasi gegenseitig eingefangen? Ein internationales Astronomenteam um Petr Pravec vom Astronomischen Institut Tschechiens hat im Jahr 2010 diese Frage anhand von 35 solcher Paare im Asteroidengürtel näher untersucht. „Es war klar, dass es nicht ausreichte, nur die Umlaufbahnen der gepaarten Asteroiden zu analysieren, um ihre Herkunft zu verstehen“, so Pravec. „Wir mussten die Eigenschaften der Objekte studieren.“ Die Forscher ermittelten daher zusätzlich für jeden Gesteinsbrocken die relative Helligkeit, da diese wertvolle Rückschlüsse auf dessen Größe zulässt, sowie die Rotationsrate.
Ein Kleiner und ein Großer
Interessanterweise ergaben die Messungen, dass alle Asteroidenpaare ein ganz spezifisches Größenverhältnis zwischen dem größeren und kleineren Partner aufwiesen: Der kleinere Asteroid hatte immer weniger als 60 Prozent der Größe seines Partners. Diese Beobachtung passte gut zu einer Theorie, die der Astronom und Raumfahrtingenieur Daniel Scheeres von der Universität von Colorado in Boulder bereits 2007 aufgestellt hatte. Sie besagt, dass sich bei der Bildung eines Asteroidenpaars durch Aufspaltung beide nur dann trennen können, wenn der kleinere weniger als 60 Prozent der Größe seines Partners aufweist.
Eine solche Trennung kann beispielsweise dann auftreten, wenn sich ein aus losen Brocken zusammengesetzter Asteroid extrem schnell dreht. Sein Äquator beult sich, getrieben von der Zentrifugalkraft, immer mehr nach außen. Ist eine bestimmte Fluchtgeschwindigkeit erreicht, lösen sich Gesteinsbrocken aus der Äquatorgegend und sammeln sich in einem Orbit um den Ursprungsasteroiden. Im Laufe von Millionen Jahren verbinden sich diese Brocken zu einem zweiten, kleineren Asteroiden, so dass ein Doppelasteroid entsteht. Astronomen schätzen, dass zehn bis 15 Prozent aller kleineren Asteroiden im Weltall aus solchen sich umkreisenden Partnern bestehen könnten.
Sonnenlicht als Triebkraft
Für Bildung solcher Doppelasteroiden durch eine schnelle Rotation spielt das Sonnenlicht wahrscheinlich eine Schlüsselrolle. Studien belegen, dass der sogenannte „YORP“-Effekt (Yarkovsky–O’Keefe–Radzievskii–Paddack-Effekt) die Eigendrehung von Asteroiden beschleunigen kann. Dabei sorgt das Licht dafür, dass sich die der Sonne zugewandte Seite des Objekts erwärmt. Gleichzeitig wirkt der Strahlungsdruck wie ein Anschub, der die Eigenrotation des Brockens nach und nach verstärkt.
Das Prinzip ist wie die Reaktion einer Windmühle auf den Wind – nur in Zeitlupe. Im Laufe von Jahrmillionen kann so das Sonnenlicht die Rotation eines weniger als zehn Kilometer großen Asteroiden messbar verändern. „Dieser langsame Prozess und nicht-katastrophale Kollisionen füllen die Population von Doppelasteroiden auf“, erklärt Franck Marchis, Astronom an der Universität von Kalifornien in Berkeley. „Das erklärt auch die große Anzahl von Doppelasteroiden und ehemaligen Doppelasteroiden, die wir sehen.“
Partnerschaft auf Zeit
Die bei der Spaltung entstandene Partnerschaft muss allerdings nicht ewig halten: Unter bestimmten Umständen können sich die Asteroiden eines solchen Doppelsystems trennen und anschließend getrennt voneinander ihre Bahn ziehen. „Der Kleinere stiehlt Rotationsenergie von dem Größeren, dadurch dreht sich der Größere langsamer und die Umlaufbahn beider dehnt sich aus. Wenn der zweite Asteroid klein genug ist, gibt es ausreichend überschüssige Energie, um das Paar voneinander zu lösen und in ihre eigenen Orbits um die Sonne zu katapultieren”, so der Forscher.
Asteroiden sind daher nicht einfach nur große, unveränderliche Brocken im Orbit um die Sonne. „Stattdessen handelt es sich um kleine Welten, die sich ständig verändern, wenn sie älter werden, und manchmal auch kleinere Asteroiden bilden, die dann ihr eigenes Leben in einer Umlaufbahn um die Sonne beginnen“, so Scheerer.
Nadja Podbregar
Stand: 13.12.2013