Der Asteroidengürtel birgt aber noch weitere interessante Bewohner. Zwei davon sind der Asteroid Vesta und der Kleinplanet Ceres – in mancher Hinsicht sind sie gleich und doch sehr verschieden. Den der eine ist ein massiver Gesteinsbrocken, der andere besteht mindestens zum Teil aus Eis. Mit ihrer trotz der Nähe so unterschiedlichen Geologie bilden die beiden quasi eine Brücke zwischen den erdähnlichen Gesteinsplaneten des inneren Sonnensystems und den eisigen Brocken des äußeren.
Neben ihrer Position im Asteroidengürtel gibt es aber noch eine Gemeinsamkeit: Beide sind Ziel der Dawn-Mission, die zurzeit im Asteroidengürtel unterwegs ist. Die am 7. Juli 2007 gestartete Raumsonde erreichte ihr erstes Untersuchungsobjekt, den Asteroiden Vesta, im Oktober 2011 und umkreiste ihn mehrere Monate lang. Seit 2012 ist sie nun unterwegs zu Ceres, den sie im Februar 2015 erreichen wird.
Ein fast fataler Treffer
Der Asteroid Vesta, das erste Ziel der Dawn-Sonde, wurde bereits 1807 durch den deutschen Astronomen Wilhelm Olbers entdeckt. Er gehört mit einem Durchmesser von gut 500 Kilometern zu den sehr großen Objekten des Asteroidengürtels. Beobachtungen deuten darauf hin, dass seine Oberfläche aus basaltischem Gestein besteht, gefrorener Lava, die kurz nach der Entstehung des Asteroiden aus dem heißen Inneren quoll und erstarrte. So weit, so unspektakulär. Doch eine Eigenschaft besitzt Vesta, die ihn besonders spannend für die Wissenschaft macht: Seine Oberfläche trägt deutliche Spuren eines dramatischen Ereignisses. Irgendwann muss der Asteroid einen gewaltigen Treffer durch ein anderes Objekt erlitten haben.
Fast der gesamte Südpol des ansonsten nahezu kugeligen Asteroiden wurde dabei weggesprengt, die Kollision hinterließ einen gigantischen Krater von gut 460 Kilometern Durchmesser und 13 Kilometern Tiefe. Gut einen Prozent des gesamten Volumens des Asteroiden schleuderte die Kollision ins All. Die Trümmer der Kollision, von winzigen Staubkörnchen bis hin zu haus- und gebirgsgroßen Brocken, flogen fortan auf ihren eigenen chaotischen Bahnen durch das Sonnensystem. Astronomen vermuten, dass rund fünf Prozent aller bisher auf der Erde gefundenen Meteoriten von diesem kosmischen „Unfall“ herrühren.
Doppelschlag am Südpol
Im Herbst 2011 lieferte die Raumsonde Dawn dann wie erhoffte genauere Aufnahmen des gewaltigen Südpolkraters von Vesta – und enthüllte Überraschendes. Denn der Asteroid wurde offenbar nicht nur von einem, sondern gleich von zwei großen Brocken getroffen. Die gewaltige Vertiefung am Vesta-Südpol besteht aus zwei teilweise überlappenden Kratern mit jeweils mehreren kreisförmigen Wällen und Vertiefungen und einem rund 13 Kilometer hohen Zentralberg.
Anfang 2013 gelang es dem Planetenforscher Martin Jutzi von der Universität Bern mit Hilfe einer dreidimensionalen Computersimulation, zu rekonstruieren, wie diese Krater entstanden sein könnten: Demnach trafen zwei 66 und 64 Kilometer große Gesteinsbrocken mit der hohen Geschwindigkeit von 5,4 Kilometern pro Sekunde auf den nur rund 500 Kilometer großen Protoplaneten. Wäre er belebt gewesen, hätte keiner seiner Bewohner diese planetare Katastrophe überlebt.
Diese Einschläge schleuderten Gesteinsmaterial aus bis zu 100 Kilometern Tiefe hinaus und durchbrachen an einigen Stellen die Kruste des Protoplaneten, wie die Forscher berichten. „Wir können anhand der Verteilung und Art dieses Materials die verschiedenen inneren Schichten, aus denen Vesta zusammengesetzt ist, präzise rekonstruieren“, erläutert Philippe Gillet, Direktor des Earth and Planetary Science Laboratory der EPFL. Im Gegensatz zu vielen kleineren Asteroiden ist Vesta ein sogenannter differenzierter Körper: Wie bei einem Planeten ist sein Inneres aus drei Schichten – Kern, Mantel und Kruste – aufgebaut. Damit diese Schichtung entstehen kann, muss der Himmelskörper irgendwann in seiner Geschichte komplett aufgeschmolzen sein, so dass schwerere Elemente nach innen sinken und leichtere nach oben steigen konnten.
Ein Flickenteppich und dunkler Auswurf
Und noch etwas zeigten die Aufnahmen der Raumsonde Dawn: Die Oberfläche des Asteroiden ist ein wahrer Flickenteppich aus Material unterschiedlicher Helligkeit und Zusammensetzung. So gibt es auf Vesta helle Bereiche, die so weiß sind wie Schnee, und dunkle Bereiche, die so schwarz sind wie Kohle. „Vieles spricht dafür, dass das dunkle Material sehr reich an Kohlenstoff ist“, erklärt Vishnu Reddy vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS). Untersuchungen von ihm und seinen Kollegen deuteten Anfang 2013 auf einen Zusammenhang zwischen dem dunklen Material und den beiden riesigen Asteroideneinschlägen auf Vestas Südhalbkugel hin.
Eine Karte der Verteilung des dunklen Materials zeigte: Dieses gruppiert sich in erster Linie um die Ränder der beiden großen Krater auf der Südhalbkugel. Die Forscher gehen daher davon aus, dass dieses Gestein wahrscheinlich mit dem ersten der beiden Einschläge vor etwa zwei bis drei Milliarden Jahren auf den Protoplaneten kam. Der zweite Einschlag, in dessen Folge der zweite Krater entstand, hat einen Teil dieses Material dann später überdeckt.
Die Dawn-Daten lieferten den Forschern auch den ersten direkten Beweis, dass viele auf der Erde gefundenen Meteoriten tatsächlich Bruchstücke von Vesta sind. Denn einige dieser sogenannten HED-Meteoriten zeigen dunkle Einschlüsse, die ebenfalls reich an Kohlenstoff sind. „Durch genaue Analyse des dunklen Materials auf der Vesta und Vergleichen mit Laboruntersuchungen dieser Meteorite konnten wir nun den ersten direkten Beweis liefern, dass die HED-Meteorite tatsächlich Bruchstücke von Vesta sind“, berichtet Reddys Kollegin Lucille Le Corre vom MPS.
Nadja Podbregar
Stand: 13.12.2013