Medizin

Schwankendes Gleichgewicht

Angreifer, Opportunisten und nützliche Helfer

Leishmanien (kleine Punkte) im inneren eines Makrophagen (untere Bildmitte) © Bushra Moiz (CC BY-NC-SA 3.0)

Noch einen Schritt weiter im Versteckspiel vor dem Immunsystem geht die Gattung Leishmania. Leishmanien sind wie Plasmodien eukaryotische Einzeller, die durch Insektenstiche übertragen werden. Sie werden zwar von Fresszellen der Immunabwehr geschluckt, widerstehen aber deren Verdauungssäften. Sie nutzen also den eigentlichen Abwehrmechanismus zu ihren Gunsten und vermehren sich ausgerechnet im Inneren derjenigen Zellen, die sonst Jagd auf die Parasiten machen würden.

Leishmanien: Nachschub per Entzündung

Das Ergebnis dieser Infektion ist eine Erkrankung der Haut oder der Innereien, eine kutane oder viszerale Leishmaniose. Ist die Haut befallen, bildet sich an der Einstichstelle ein bis zu fünf Zentimeter großes Geschwür. Nach dem Verbreitungsgebiet des Erregers bezeichnete man dieses Geschwür früher auch als „Orientbeule“. Die seltenere viszerale Leishmaniose führt zu hohem Fieber und kann tödlich verlaufen, wenn sie nicht behandelt wird. In beiden Fällen fördern die Parasiten die Entzündungsreaktion und locken so weitere Fresszellen an, in denen sie sich verstecken und vermehren können. Leishmaniose lässt sich jedoch mit Antibiotika behandeln, und nach überstandener Krankheit ist der Wirt in der Regel immunisiert.

Geschwür bei kutaner Leishmaniose © CDC/ Mae Melvin

Bei all diesen Anpassungen und Gegenanpassungen hat sich zwischen Wirt und Parasit ein schwankendes Gleichgewicht von Angreifen, Abwehren und Ausweichen eingestellt. Das Immunsystem hält die Infektion in Schach und verhindert ein übermäßiges Ausbreiten, ist jedoch nicht in der Lage, die Parasiten gänzlich zu beseitigen. Dies ist auch ein Merkmal eines erfolgreichen Parasiten: Im Normalfall bringt er den Wirt nicht in akute Gefahr. Stirbt der Wirt, ist schließlich auch die Existenz des Parasiten bedroht. Siegt andererseits das Immunsystem des Wirts, verliert der Parasit. Für Menschen mit geschwächtem Immunsystem ist dieses Gleichgewicht allerdings äußerst wackelig. Besonders Kindern, Alten oder auch AIDS-Kranken kann durchaus von einer andererseits harmlosen Infektion Gefahr drohen.

Fließender Übergang von Parasitismus zu Symbiose

Manche Darmparasiten leben mitten im Nahrungsbrei im menschlichen Darm und zweigen einen Teil für sich ab, ohne dass der befallene Mensch etwas davon merkt, ganz ähnlich wie die typischen Darmbakterien. Durch diesen nahezu schadlosen Parasitismus ist der Übergang zu einer bloßen Nahrungsgemeinschaft, auch Kommensale genannt, oft fließend.

Viele Wirte haben mit verschiedenen Parasiten zu leben gelernt und nehmen keinen Schaden durch den Befall, in manchen Fällen sind die Mitbewohner sogar selbstverständlich geworden. Beispiel hierfür sind die zahllosen Darmbakterien. Diese erfüllen sogar mittlerweile eine lebensnotwendige Funktion, indem sie verschiedene Nährstoffe produzieren oder erst für den Wirt zugänglich machen. Hier führt das ursprüngliche Parasitentum zu einem für beide Seiten vorteilhaften Zusammenleben, einer Symbiose.

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Ansgar Kretschmer

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Wirtskörper mit Vollpension
Die raffinierten Strategien und Anpassungen der Endoprasiten

Rausschmeißer Immunsystem
Wie Parasiten die Abwehr des Wirtes umgehen

Schwankendes Gleichgewicht
Angreifer, Opportunisten und nützliche Helfer

Von Zysten und Zerkarien
Viele Endoparasiten durchlaufen zahlreiche Entwicklungsstadien

Endwirt, Zwischenwirt - Fehlwirt?
Verwechslungsgefahr bringt Risiken für Parasit und Wirt

Methoden wie aus einem Alien-Film
Der Nachwuchs mancher parasitierender Insekten geht unter die Haut

Gehirnwäsche zum Standortwechsel
Wie Endoparasiten ihre Wirte umprogrammieren

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