Medizin

Methoden wie aus einem Alien-Film

Der Nachwuchs mancher parasitierender Insekten geht unter die Haut

Weitaus skrupelloser als die „Mitesser“ gehen sogenannte Parasitoiden vor: Sie nehmen den Tod des Wirtsorganismus in Kauf, während sie sich selbst vermehren. Besonders bei Insekten sind Parasitoiden weit verbreitet, ein Beispiel sind die Schlupfwespen: Diese legen ihre Eier mit Hilfe eines Legestachels im Inneren eines Wirtes, etwa einer Raupe, ab. Die geschlüpften Larven entwickeln sich im Körper der Raupe und fressen sie von innen auf. Spätestens wenn die ausgewachsenen Wespen schlüpfen, stirbt die Raupe. Auf diese Weise ist der Nachwuchs während seiner frühen Entwicklung gleichzeitig geschützt und verfügt über reichlich Nahrung.

Dermatobia hominis: Diese Dasselfliege legt ihre Larven auch auf dem Menschen ab © CDC

Fliegenlarven im Gewebe

Beim Menschen ist diese tödliche Form des Parasitismus nur aus den „Alien“-Filmen und ähnlicher Fiktion bekannt. Ähnlich, wenn auch nicht tödlich, gehen die Dasselfliegen vor. Deren Larven bohren sich in die Haut des Wirtes und nisten sich im Gewebe darunter ein. Normalerweise legen diese Fliegen ihre Eier auf Rindern, Pferden, Rehen oder anderen Huftieren ab. Gelegentlich können manche Arten aber auch Menschen als Fehlwirt befallen.

Dasselfliegen sind meistens sehr spezifisch auf einen Wirt und eine Körperregion oder einen Gewebetyp angepasst und oft entsprechend benannt: So gibt es beispielsweise die Rinderdasselfliege und die Reh-Rachendassel. Die Larven der meisten Arten können sich im Menschen nicht vollständig entwickeln. Wenn sie das gesuchte Zielgewebe nicht finden können, verlassen sie entweder den Wirt oder verenden unter der Haut.

Einzig die Art Dermatobia hominis benutzt den Menschen als Endwirt. Der englische Name dieser Unterart lautet „human botfly“, also in etwa „Menschen-Dasselfliege“. Sie kommt in Mittel- und Südamerika vom südlichen Mexiko bis nördlichen Argentinien vor. Im Falle dieser Fliege ist die Anpassung an den Wirt nicht so spezifisch ausgeprägt. Ihre Larven können daher auch im Menschen zu ausgewachsenen Tieren heranwachsen.

Fliege rekrutiert Moskitos als Ei-Lieferanten

Bereits bei der Eiablage geht Dermatobia hominis raffiniert vor. Ein potenzieller Wirt könnte die Fliege bereits am Aussehen oder sogar am Fluggeräusch erkennen und sich schützen. In der Tat geraten Viehherden manchmal bereits vom Summton bestimmter Fliegen in Panik. Daher zwangsrekrutiert die Fliege andere Tiere als Überträger, sogenannte Vektoren. Die schnelle und wendige Fliege fängt zum Beispiel einen Moskito, legt ihre Eier darauf ab und lässt den Lieferanten wieder frei. Dieser trägt dann die Eier zu einem Wirtstier oder Menschen. Daher ergibt auch die geringe Anpassung an spezifische Wirte Sinn: die Fliege hat selbst schließlich keinen Einfluss darauf, wen oder was der Vektororganismus als Nächstes ansteuert.

Die Körperwärme des Wirtes regt vermutlich die Larven zum Schlüpfen an. War ein Moskito oder anderes blutsaugendes Insekt der Überbringer der Eier, benutzen die geschlüpften Larven oft dessen Einstichkanal, um unter die Haut zu gelangen. Andernfalls sind sie auch selbst in der Lage, die Haut zu durchbohren. Anschließend nisten sie sich ein und ernähren sich von Blut und austretender lymphatischer Flüssigkeit. Dies geschieht meistens völlig unbemerkt, die Betroffenen halten die Wunde oft lediglich für einen entzündeten Insektenstich.

Vor der Verpuppung entfernte Larve von Dermatobia hominis © R. Goodman, United States Air Force / gemeinfrei

Dieser vermeintliche Stich heilt jedoch nicht ohne weiteres ab. Da die ein bis zwei Zentimeter große Larve atmen muss, bleibt die Eintrittsstelle geöffnet und sondert oft Wundsekret ab. Auf diesem Wege kann der Eindringling jedoch beseitigt werden: Verschließt man die Wunde mit Wachs oder Öl, erstickt die Larve innerhalb eines Tages und kann dann entfernt werden. Geschieht dies nicht, verlässt die Larve den Wirt von selbst nach etwa zwei Monaten, um sich zu verpuppen.

Sauberer als Schmeißfliegenlarven

So widerwärtig dieser Befall sich auch anhören mag: Abgesehen von Juckreiz und gelegentlich leichtem Schmerz und möglicherweise dem Ekel, einen Parasiten unter der Haut zu tragen, ergeben sich im Normalfall keine schwerwiegenden Folgen für den Wirt. Ist die Larve erst entfernt, heilt die Wunde schnell und vernarbt nur minimal. Anders als beim Befall mit „normalen“ Fliegenmaden, einer sogenannten Myiasis, kommt es nur selten zu einer weiteren Entzündung.

Die Maden der bekannten Schmeißfliege etwa sind in der Regel mit zahlreichen Bakterien beladen und lösen dadurch mitunter schwere Infektionen aus. Bei Dermatobia hominis dagegen nehmen Wissenschaftler an, dass sie sogar antibakterielle Wirkstoffe absondert. Dies ist für den Parasiten durchaus sinnvoll: Eine eiternde Entzündung könnte der Larve die Luftzufuhr versperren und sie ersticken.

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Ansgar Kretschmer

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Inhalt des Dossiers

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