Das Leben ist asymmetrisch – zumindest auf der molekularen Ebene: Fast alle biologisch wichtigen Verbindungen existieren in zwei unterschiedlichen, sich wie Bild und Spiegelbild entsprechenden Formen. Normalerweise entstehen in chemischen Reaktionen immer gleiche Anteile beider Spiegelbilder, doch die lebenden Organismen tanzen hier aus der Reihe. Sie synthetisieren seltsamerweise immer nur eine der beiden Formen und bauen auch nur diese ein. So besteht das Grundgerüst der Erbsubstanzen RNA und DNA ausschließlich aus rechtshändigen Molekülen, alle Proteine dagegen immer nur aus linkshändigen Aminosäuren.
Erst Leben, dann Asymmetrie?
Diese eindeutige Präferenz für jeweils nur eine symmetrische Variante, die sogenannte Homochiralität, ist nicht nur faszinierend in ihrer Ausschließlichkeit, sie stellt auch – wieder einmal – die Biochemiker vor ein großes Problem: Wenn sich das erste Leben aus ganz normalen chemischen Reaktionen und Syntheseschritten entwickelte, wie ist dann diese Verschiebung des Gleichgewichts zugunsten nur jeweils einer chiralen Variante zu erklären? Eine einfache chemische Begründung scheint es dafür nicht zu geben, dafür aber jede Menge ganz unterschiedlicher Hypothesen.
Stanley Miller, Pionier der Ursuppenforschung, sieht das Ganze eher pragmatisch und verlagert das Problem kurzerhand von der Chemie in die biologische Phase der Evolution: „Meiner Meinung nach kommt die Selektion erst bei oder kurz nach der Entstehung des Lebens.“ Seiner Ansicht nach besaßen die ersten aktiven Biomoleküle, eine Art Prä-RNA, gar keine asymmetrischen Kohlenstoffatome und waren daher auch nicht händig. Erst bei Umwandlung dieser Vorläufersubstanz in die asymmetrische RNA habe sich im Laufe der ersten Entwicklungsschritte des neuen Lebens ein Ungleichgewicht herauskristallisiert.
…oder umgekehrt?
Demgegenüber sehen andere Forscher den Ursprung der Homochiralität sehr wohl in der präbiotischen Phase der Ursuppe oder des „Urpfannkuchens“. Sie suchen daher nach möglichen Schablonen, die schon der Synthese und Vermehrung der ersten Makromoleküle den entscheidenden Schubs in die eine oder andere Symmetrierichtung gegeben haben könnten.
Einen wichtigen Fortschritt hat dazu der Biochemiker Reza Ghadiri vom US-amerikanischen Scripps Research Institute im kalifornischen La Jolla erreicht. Er wies 2001 nach, dass schon einfache Polypeptide in einer Mischung von sowohl rechts- als auch linkshändigen Aminosäuren gezielt nur diejenigen zur Herstellung von Kopien ihrer selbst benutzten, die die richtige Händigkeit aufwiesen. Er erbrachte damit erstmals den Beweis, dass, einmal durch eine Schablone angefangen, sich der chirale Selektionsprozess tatsächlich verselbstständigen kann. Doch woher stammt die erste Schablone?
Nadja Podbregar
Stand: 25.10.2013