Jedes Jahr im Sommer zieht es mehrere Hunderttausend Urlauber auf Deutschlands einzige Hochseeinsel, Helgoland. Ob sie im Hochgeschwindigkeits-Katamaran durch die Deutsche Bucht Pflügen oder die Passage im Seebäderschiff aus den 1960er Jahren eher beschaulich angehen, die meisten sind fasziniert von der Weite des Blicks auf offener See. Wie nah sie dabei den Spuren steinzeitlicher Jäger und Relikten der Weltkriege kommen, ist den wenigsten bewusst.
Mehr als 300 Wracks – zumeist gesunkene Schiffe, aber auch abgestürzte Flugzeuge – befinden sich Schätzungen zufolge allein in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), jenem Gebiet, das sich jenseits der eigentlichen Hoheitsgewässer der Zwölf-Meilen-Zone befindet und das Deutschland nach den Bestimmungen des Seerechts exklusiv wirtschaftlich nutzen darf. In Küstennähe kommen noch etliche weitere Wracks hinzu.
Gefährdet und ungeschützt
Der Meeresboden birgt damit einen riesigen archäologischen Schatz, der nicht nur technikgeschichtlich interessant ist, sondern auch Aufschluss über Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, soziale Lebensbedingungen oder politische Entwicklungen von Krieg und Frieden geben kann. „Zeitkapseln“ nennen Archäologen diese Spuren der menschlichen Vergangenheit auf dem Meeresgrund.
Die aber sind akut gefährdet, denn die Nordsee gehört zu den am intensivsten genutzten Meeren der Welt: Schleppnetzfischerei planiert den Meeresboden, neue Windkraftanlagen entstehen, Kies wird in großem Maßstab abgebaut und beim Ausbau von Schifffahrtswegen werden Sand und Sediment an der einen Stelle ausgebaggert und an einer anderen wieder abgeladen. Dazwischen liegen die Wracks – nahezu ungeschützt, denn Denkmalschutz ist in Deutschland Ländersache, und die Zuständigkeit der Landesbehörden endet mit der Zwölf- Meilen-Zone.
Christoph Herbort-von Loeper /Leibniz Journal
Stand: 18.10.2013