Einen weißen Fleck auf der Karte der steinzeitlichen Nordsee-Landschaft konnten die Wissenschaftler im August dieses Jahres aufklären. Geophysiker des Forschungszentrums MARUM der Universität Bremen rekonstruierten den Lauf des Flusses Ems jenseits der heutigen Küstenlinie. Bei Bodenuntersuchungen für einen Windparkbetreiber war der alte Flusslauf vor einiger Zeit eher zufällig entdeckt worden.
Da sich das alte Flussbett unter Wasser mit Sediment angefüllt hatte, scannten die Geophysiker den Meeresgrund per Sediment-Echolot und rekonstruierten den Lauf der Ur-Ems fast vollständig. Die mündete vor 20.000 Jahren nicht in die Nordsee, sondern floss nördlich von Helgoland ins Elbe-Urstromtal. Von dieser alten Mündung aus fuhren die Wissenschaftler den Flusslauf „landeinwärts“ ab und verfolgten ihn bis auf die Höhe von Juist. Hier erst verliert sich die Spur im Bereich der ostfriesischen Inseln.
Kartierung macht archäologische Suche leichter
Mit diesen neuen Erkenntnissen ist es den Wissenschaftlern nun möglich, gezielter nach archäologischen Spuren zu suchen. Nämlich dort, wo es eine größere Wahrscheinlichkeit gibt,
dass sich dort einmal menschliche Siedlungen befunden haben – in Fachkreisen heißt diese Vorgehensweise „indicative mapping“. Das Ergebnis wird allerdings zunächst nicht der spektakuläre Fund sein, aufgrund dessen die Geschichte Norddeutschlands neu geschrieben werden muss.
Der eigentliche Schatz ist die vielfältige Projektdatenbank, in die die zahlreichen kleineren und größeren Erkenntnisse einfließen. Mit ihr soll auch der vorhandene Forschungsrückstand in der maritimen Archäologie in Deutschland aufgearbeitet werden. Erst 2010 hat das Schifffahrtsmuseum einen eigenen Forschungsbereich zu diesem Gebiet eingerichtet – nennenswerte Lehrstühle an deutschen Hochschulen gab es zuletzt keine (mehr). Die neue geschäftsführende Direktorin des Schifffahrtsmuseums Sunhild Kleingärtner aber hat seit April 2013 eine Professur für Schifffahrtsgeschichte und Maritime Archäologie an der Universität Bremen inne. Die maritime Archäologie hat damit an der Weser ihren akademischen Hafen gefunden.
Christoph Herbort-von Loeper /Leibniz Journal
Stand: 18.10.2013