Die Aufgaben und möglichen Forschungsansätze, die sich den Wissenschaftlern damit bieten, sind vielfältig: Die lokalisierten Wrackfundstellen müssen mit Sonar und Echolot genauer analysiert werden. Die Probenentnahme oder das Bergen von Artefakten ist oft nur mit Forschungstauchern möglich, was angesichts der rauen Nordsee ein nicht unbeträchtliches Risiko birgt. Bei besonders wertvollen Wracks ist auch eine komplette Bergung denkbar – mit all den Problemen, die die Bergung selbst, aber auch das Konservieren der Wracks außerhalb des Wassers mit sich bringen.
Mike Belasus schätzt, dass von den etwa 360 Wracks, die zurzeit in der AWZ bekannt sind, etwa zwei Drittel archäologischen oder kulturhistorischen Wert haben – von den frühzeitlichen Funden, die über Natur und Lebenswelt der Steinzeit Aufschluss geben, ganz zu schweigen.
Heuhaufen Nordsee
Auch wenn Belasus die Nordsee mit einem gigantischen Heuhaufen vergleicht, so bieten allein die darin gefundenen Nadeln Forschungsstoff für Generationen von Wissenschaftlern. Kann ein Forscher dabei ein ganz besonderes Projekt haben, das er am liebsten sofort untersuchen würde? Nach kurzem Überlegen nennt Mike Belasus ein Wrack, das das BSH vor kurzem lokalisiert hat.
Dabei handelt es sich mutmaßlich um eines der ersten Torpedo-Boote der deutschen kaiserlichen Marine aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. „Mich würde an diesem Wrack besonders reizen, mehr über die realen Lebensbedingungen der Menschen an Bord zu erfahren“, begründet der Schiffsarchäologe seine Auswahl.
„Vor allem der vermutlich vorhandene Kontrast zu den oft glorifizierenden Schilderungen der damaligen Zeit, die ja oft unsere einzigen Quellen über das Leben an Bord sind, ist ein spannendes Thema“, sagt Belasus. Und ein aktuelles noch dazu, jährt sich doch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bald zum hundertsten Mal. Bei dessen Vorgeschichte, Verlauf und Ende spielte diese kaiserliche Marine schließlich keine unbedeutende Rolle.
Christoph Herbort-von Loeper /Leibniz Journal
Stand: 18.10.2013