Das Gehirn ruht nie, sondern verarbeitet ununterbrochen Informationen aus der äußeren und inneren Welt. Eine der faszinierendsten Eigenschaften unseres Gehirns ist dabei die Fähigkeit zu lernen. Beim Lernen spielt die Plastizität des Gehirns eine wichtige Rolle, also die Fähigkeit von Synapsen, Nervenzellen und ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit von der Aktivität oder der Verwendung in ihren Eigenschaften zu ändern.
Wo sitzt das Gedächtnis?
Für das, was wir unser „Gedächtnis“ nennen, spielen insbesondere neuronale Strukturen im Neokortex, dem evolutionär jüngsten Teil der Hirnrinde, eine zentrale Rolle. Hier ist der Sitz des sogenannten deklarativen Gedächtnisses. Dieses umfasst alle Erinnerungen, die wir bewusst abrufen. Dazu gehören sowohl Erinnerungen an Fakten und Tatsachen, als auch Erinnerungen an Ereignisse und Erfahrungen in unserem Leben.
Das deklarative Gedächtnis wird dabei nochmals in zwei Bereiche unterteilt: in das semantische Gedächtnis, welches Wissen und allgemeine Fakten über die Welt enthält, und das episodische Gedächtnis, welches Episoden, Ereignisse und Tatsachen aus unserem persönlichen Leben enthält. Der Aufbau eines episodischen Gedächtnisses wird dabei entscheidend vom wechselseitigen Zusammenspiel anatomischer Hirnstrukturen im medialen Temporallappen und dem Neokortex bestimmt.
Schlaf stärkt Verbindungen – und damit Erinnerungen
Wenn keine Interaktion mit der äußeren Welt stattfindet – wie beispielsweise im Schlaf, ist das Gehirn dennoch aktiv: Die Aktivitätszustände des Gehirns spiegeln dabei verschiedene mentale Funktionen wider. Dazu gehört die Gedächtniskonsolidierung. Nach einer vorherrschenden Theorie des Gedächtnisses werden neue Erfahrungen kurzzeitig im Hippocampus gespeichert und anschließend – während der Ruhezeiten – reaktiviert.
Während des Schlafes werden dann die Verbindungen in der Hirnrinde gestärkt, die dem Langzeitgedächtnis zu Grunde liegen. Die Nervenzellen, die dabei in einer bestimmten Reihenfolge aktiviert und dauerhaft miteinander verbunden werden, entsprechen dann einem bestimmten Gedächtnisinhalt. Einen solchen Zellverband bezeichnet man als neokortikale Repräsentation.
Der Prozess, der die Erinnerungen als neokortikale Repräsentation festigt, geschieht dabei in zwei aufeinanderfolgenden Schritten. In beide ist der Hippocampus als Teil des Temporallappens und der Kortex im Zusammenspiel eingebunden. Im ersten Schritt, der Enkodierungsphase, findet im Hippocampus eine schnelle Verknüpfung der neokortikalen Repräsentation in lokalen Gedächtnisspuren statt. Im zweiten Schritt, dem sogenannten Offline-Modus, werden die neuen, noch labilen Spuren gleichzeitig im Hippocampus und Kortex reaktiviert, um so die Nervenzellverbindungen innerhalb des Kortex zu verstärken, die der gespeicherten Repräsentation zu Grunde liegen.
MPG Jahrbuch / Oxana Eschenko, Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, Tübingen
Stand: 23.08.2013