Die Wiederentdeckung der Auen ist aber nicht die einzige Möglichkeit, um Überschwemmungskatastrophen zu verhindern. Die Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung schlagen nach der verheerenden Flut vom Juni drei weitere Maßnahmen vor, die zumindest die Folgen abmildern können: Neben dem technischen Hochwasserschutz mit Deichen und Rückhaltebecken ist es die Förderung der privaten Vorsorge von Hauseigentümern und eine solidarische Pflichtversicherung.
„Einen 100-prozentigen Schutz gibt es nicht“
Neu sind diese Ideen nicht; bereits nach dem Hochwasser von 2002 schlug das Deutsche Komitee Katastrophenvorsorge diese vier Säulen vor. Doch an der Umsetzung mangelt es immer noch, auch mehr als ein Jahrzehnt später. „Man hat nach 2002 zwar die richtigen Schlüsse gezogen“, sagt Christian Kuhlicke, Umweltsoziologe und Sozialgeograf am UFZ, und kritisiert: „Dem sind allerdings nicht genug Taten gefolgt.“ Der Hochwasser-Experte Kuhlicke mahnt zugleich zu mehr Realismus.
Mit seinen Kollegen plädiert er dafür, sich von dem Gedanken des Hochwasserschutzes zu lösen: „Wir sollten nicht mehr von Schutz sprechen, sondern von Vorsorge“, sagt er. „Die Vorstellung, man könne sich hundertprozentig vor einem Hochwasser schützen, ist irreführend.“
Schutz nach dem Do-it-yourself-Prinzip
Anstatt sich nur auf Deiche zu verlassen, können Bewohner privat für den Hochwasserfall vorsorgen – zum Beispiel, indem sie ihr Haus höher bauen. Mobile Schutzwände, Rückstauklappen und
wasserresistente Baumaterialien helfen ebenso. „Wir brauchen eine sehr viel stärkere staatliche Unterstützung, also eine Förderung der privaten Hochwasservorsorge“, sagt Kuhlicke. Statt Betroffene nur zur privaten Vorsorge zu ermahnen, sollte es finanzielle Anreize für diejenigen geben, die auch wirklich in Baumaßnahmen zum Schutz vor Überschwemmungen investieren.
Das Restrisiko sollte dann auf mehrere Schultern verteilt werden. Dazu bietet sich eine Pflichtversicherung an, meint der UFZ-Wissenschaftler: Bislang gelten viele Siedlungen in gefährdeten Gebieten als nicht versicherbar – und wenn, dann zu kaum bezahlbaren Policen. Ein solidarisches Pflichtversicherungs- Modell könne das ändern, meint Kuhlicke.
Für die Hochwasserforscher gibt es nach der Flut in diesem Jahr nun viel zu tun: Ein Konsortium aus drei Helmholtz-Zentren und weiteren Partnern will bis zum nächsten Sommer eine umfassende Studie zu den Ursachen und Folgen vorlegen. Ein wichtiger Aspekt dabei: Die Wissenschaftler wollen analysieren, welche Fortschritte seit dem Hochwasser 2002 bei der Vorsorge erzielt worden sind – und auch, wo es noch Defizite gibt.
Franziska Roeder / Helmholtz Perspektiven
Stand: 09.08.2013