Aber neben den angefallenen Wartungsarbeiten gibt es noch einen weiteren Grund, warum der LHC vor Beginn der Voll-Leistung noch einmal eine Zwangspause einlegt: die Detektoren. Denn mit der erhöhten Strahlenergie werden die Protonen im Beschleunigerring nicht nur schneller aufeinander prallen, es wird auch an den Kreuzungspunkten in den Detektoren mehr Kollisionen geben als bisher.
Paketweise durch den Ring
Bisher jagen die Protonen in rund 3.000 Paketen von jeweils rund 100 Milliarden Protonen durch den Ring. In einer Sekunde absolvieren sie dabei rund 11.245 komplette Umkreisungen. In den langen Ringstücken zwischen den Detektoren hat jedes dieser Pakete das Format einer feinen Nähnadel: Die Teilchen sind zu einem Klumpen von wenigen Zentimetern Länge und rund einem Millimeter Durchmesser ausgezogen.
Unmittelbar vor den Detektoren sorgen dann spezielle Quadrupolmagnete dafür, dass der Strahl komprimiert wird. Jedes Paket wird dabei auf einen Durchmesser von nur noch rund 16 Mikrometern zusammengedrückt – dreimal dünner als ein menschliches Haar. Die Magnete leiten zudem die beiden einander entgegengesetzten Teilchenstrahlen zusammen, so dass die Pakete genau im Kollisionspunkt der Detektoren zusammentreffen.
Wenn der LHC ab 2015 mit höheren Energien läuft, bedeutet das zweierlei: Es werden pro Paket mehr Teilchen kollidieren und weil diese Kollisionen mit mehr Energie stattfinden, wird sich auch die Zahl der dabei erzeugten Teilchenspuren erhöhen. So lag beispielsweise die Zahl der im ATLAS-Detektor gleichzeitig registrierten Kollisionen im Jahr 2012 bei rund 40, 2015 könnten es aber doppelt so viele werden. Das ist einerseits gut, denn je mehr Kollisionen stattfinden, desto mehr Chancen haben die Physiker, seltene Ereignisse wie beispielsweise die Bildung eines Higgs-Teilchens einzufangen.
Suche nach dem Heuhalm im Heuhaufen
Andererseits aber wird es dann aber deutlich schwieriger, genau zu identifizieren, welche der zig Teilchenspuren, die der Detektor registriert, von welcher Kollision stammen. Doch das ist notwendig, um aus den Signalen auch auf die Teilchen rückschließen zu können, die zu kurz existieren, um selbst direkte Spuren zu hinterlassen – wie beispielsweise das Higgs-Boson. Hinzu kommt, dass neben den erwünschten Frontalkollisionen auch etliche Streifschüsse vorkommen – Protonen, die einander nur seitlich treffen und daher nicht die volle Energie übertragen. Bei diesen Fällen entstehen zwar auch Zerfallsprodukte, aber nicht die schweren, energiereichen Partikel, nach denen die Teilchenphysiker suchen.
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„Die Herausforderung besteht daher darin, die interessante Kollision aus der gewaltigen Menge der Spuren bei jedem Ereignis herauszufiltern“, erklärt Pauline Gagnon von der ATLAS-Kollaboration. Oder, wie es der Physiker und Wissenschaftsautor Sean Carroll in seinem Buch „The Particle at the End of the Universe“ beschreibt: Es ist wie die Suche im Heuhaufen – aber nicht nach der sprichwörtlichen Nadel, sondern nach einem bestimmten Heuhalm unter vielen. Um dieses Problem zu lösen, werden während des Long Shutdown auch Hard- und Software der Detektoren nachgerüstet. Wie genau, erfahren wir bei unserem Besuch bei zwei dieser Riesenapparate, dem ATLAS und dem ALICE-Detektor.
Nadja Podbregar
Stand: 02.08.2013