Jetzt geht es abwärts, ins Herz des ATLAS-Detektors. Hier hinein, in die Kaverne gut 50 Meter unter der Oberfläche, darf während des Betriebs des LHC absolut niemand, alle Zugänge sind dann versiegelt. Denn die starken Magnetfelder und vor allem die bei den Kollisionen freiwerdende Streustrahlung sind alles andere als gesund. Und selbst in den zweitägigen Strahlpausen ist der Zutritt nur speziell geschulten Technikern gestattet – nachdem ein Strahlenschutzexperte sein ok gegeben hat. Selbst jetzt, nachdem der LHC bereits seit Monaten abgeschaltet ist, tragen alle, die hier arbeiten ständig ein Dosimeter mit sich herum – sicher ist sicher.
Und natürlich herrscht höchste Sicherheitsstufe auch dann, wenn es um den Zutritt geht: Wer in den Fahrstuhl nach unten will, muss sich zuerst einem Augen-Scan unterziehen. Dieser tastet nicht nur die Iris ab, er prüft auch, ob das Auge noch lebt, wie Hauschild betont: „Es hat also keinen Sinn, einem von uns wie in Dan Browns Buch Illuminati ein Auge herauszureißen – damit käme man hier nicht hinein“, so der Physiker. Der Roman, der zum Teil im CERN spielt, scheint hier überhaupt sehr populär zu sein: Den Hinweis mit dem Augenscan wird uns auch am zweiten Detektor, ALICE, schmunzelnd serviert.
Riesig und doch um Haaresbreite
In der Tiefe angekommen, noch ein kurzer Gang – und schon stehen wir vor dem „Giganten der Unterwelt“. Allerdings: Sehen kann man von ATLAS gerade mal einen winzigen Ausschnitt. Denn die Kaverne ist so vollgebaut, dass zwar jede Menge miteinander verbundener und verschachtelter Röhren, Leitungen und andere Bauteile direkt vor uns aufragen. Den gesamten Komplex aber können wir nicht einmal ansatzweise überblicken.
Das Faszinierende aber an dem gewaltigen Apparat: Trotz seiner gigantischen Größe muss jedes Bauteil mit unglaublicher Genauigkeit platziert werden. Sitzt es auch nur um Haaresbreite daneben, arbeitet der Detektor nicht mehr genau, wie uns unser Guide erklärt. Unter anderem deshalb sind bei ATLAS, aber auch den anderen Detektoren, überall in der Kaverne geodätische Messpunkte angebracht.
Denn selbst der stabile Gesteinsuntergrund von Tunnel und Kavernen ist alles andere als bewegungslos: Allein die Gezeitenkräfte des Mondes sorgen schon dafür, dass sich die Erdkruste in der Genfer Region um bis zu 25 Zentimeter hebt und senkt. Der Tunnel des LHC wird dabei zusätzlich um einen Millimeter länger oder kürzer. Damit diese Bewegungen nicht die Messungen verfälschen, müssen sie genau registriert werden – und das geschieht mit Hilfe der geodätischen Messpunkte. Mit Hilfe dieser Daten gleichen Korrekturmagnete die Bahn des Teilchenstrahls aus und auch die Detektorsoftware rechnet dies mit ein.
Nadja Podbregar
Stand: 02.08.2013