Ein neuer und viel versprechender Ansatz in der Impfstoffentwicklung ist die Verwendung von genetischen Impfstoffen wie zum Beispiel Nukleinsäuren. Die meisten Impfstoffe bestehen bisher aus abgeschwächten oder abgetöteten Infektionserregern oder aber – wie der Influenza-Impfstoff – aus isolierten Bestandteilen der Viren.
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Die Nukleinsäure – die DNA oder auch RNA des Virus – enthält den Bauplan für die meisten Proteine, die ein Virus zur Vermehrung benötigt. Einige Proteine, die Oberflächen- oder Envelope-Proteine, die sich auf der Oberfläche von viralen Infektionserregern befinden, sind für Impfstoffentwickler besonders interessant, denn sie sind durch das Immunsystem angreifbar. Eine virale Infektion kann meist verhindert werden, wenn diese Oberflächenproteine gestört oder durch neutralisierende Antikörper gebunden werden.
Zur Impfstoffentwicklung gegen RSV haben sich Virologen um Thomas Grunwald und Klaus Überla von der Ruhr-Universität Bochum auf eines der RSV-Oberflächenproteine fokussiert: RSV-F. Dieses Protein vermittelt bei einer Infektion durch das Virus die Fusion zwischen Membranen. Dabei verschmilzt zuerst die Virusmembran mit der Zellmembran. Im späteren Verlauf fördert das RSV-F-Protein auch die Bildung von Riesenzellen, sogenannten Synzytien, für die mehrere Zellen miteinander fusionieren.
Antikörper treffen Oberflächenprotein
Normalerweise reagiert das Immunsystem auf eine Infektion mit dem RS-Virus mit Abwehrmaßnahmen: Es bildet neutralisierende Antikörper gegen das RSV-F-Protein des Virus. Diese Antiköper erkennen das RSV-F-Protein und binden daran, so dass dieses nicht mehr korrekt funktionieren kann. Die Viren können dadurch nicht mehr mit Wirtszellen verschmelzen, so dass die Infektion oder die Verbreitung des Virus im Körper gestoppt ist. Bei immungeschwächten Patienten oder Kindern funktioniert diese Abwehr jedoch nicht immer richtig. RSV-F ist auch das Ziel des vorbeugend verabreichten Antikörpers Palivizumab, dem einzig verfügbaren und wirksamen Medikament gegen RSV.
Die Bochumer Forscher setzten sich zum Ziel, eine aktive Immunisierung gegen das RSV-F-Protein zu erzielen. Dafür mussten sie einen Impfstoff entwickeln, der das Gen für dieses Virenprotein enthält und dieses Protein im menschlichen Körper ständig nachproduziert. Dadurch würde das Immunsystem ständig mit diesem Eiweiß in Kontakt kommen und so bereits vor einer Infektion mit dem Virus Antikörper gegen dessen Oberflächenprotein bilden.
RUBIN Sonderheft Transfer, Dr. Thomas Grunwald, Ruhr-Universität Bochum
Stand: 05.10.2012