Gerade löst sich die Venus als dunkler Punkt vom Rand der Sonnenscheibe, da beginnt sie sich plötzlich scheinbar zu verformen: Statt kreisrund erscheint sie nun eher tropfenförmig und ist mit einem kurzen, dunklen, konkav eingebogenen „Stiel“ mit dem Sonnenrand verbunden. Das gleiche geschieht noch einmal gegen Transitende, sobald sich die Venussilhuette erneut dem Sonnenrand nähert.
Schwarzer Tropfen am Sonnenrand…
Dieser „Schwarze-Tropfen“-Effekt wurde schon im 18. Jahrhundert von den Astronomen beobachtet, sorgte bei ihnen allerdings eher für reichlich Unmut. Denn der lästige „Stiel“ der Venus machte es mit damaligen Mitteln fast unmöglich, den Zeitpunkt des entscheidenden ersten und letzten inneren Kontakts genau zu bestimmen. Einige Forscher geben dem „Schwarzen Tropfen“ sogar die Hauptschuld an dem enttäuschenden Ergebnis der ersten großen Beobachtungsoffensive im Sommer 1761. Die damals von den rund 120 Astronomen gemessenen Parallaxen wichen so stark von einander ab, dass im Grunde kein Fortschritt bei der Berechnung des Abstands der Sonne zur Erde erreicht werden konnte.
Was aber ist die Ursache dieses Phänomens?
Lange Zeit hielten die Astronomen die Venusatmosphäre für den Auslöser der seltsamen Stielbildung. Doch da dieses Phänomen auch bei Merkurtransits auftrat und dieser nachweislich keine nennenswerte Atmosphäre besitzt, konnte diese Erklärung nicht stimmen. Andere Astronomen machten die Brechung des Lichts oder schlicht eine Illusion dafür verantwortlich. Bis heute wird die tatsächliche Ursache dieses Phänomens diskutiert.
Verzerrung an Atmosphäre oder Teleskop
Einig sind sich die Astronomen aber in jedem Falle darin, dass die Gründe wohl weniger kosmischer, als vielmehr sehr irdischer Natur sind. Nach Ansicht des Astronomen Barley Schaefer von der Universität Texas in Austin ist die verzerrende Wirkung der Erdatmosphäre für einen großen Teil des Effekts verantwortlich. Demgegenüber sieht Guido Horn D’Arturo von der Universität Bologna die Hauptursache dieser Verzerrung in der zu kleinen Öffnung der Teleskope und der bei fast allen Menschen vorhandenen leichten Hornhautverkrümmung des Auges. Er untermauert dies damit, dass ein solcher „Stiel“ auch dann auftritt, wenn man beispielsweise Daumen und Zeigefinger einer Hand vor dem Auge zusammenführt, bis sie sich fast berühren.
Als Vorbereitung auf den Venus-Transit von 1874 bastelten sich niederländische Astronomen sogar ein spezielles Übungsgerät, um ihre Messungen des zweiten und dritten Kontakts zu präzisieren. Dabei konnte mittels einer Stellschraube eine kleinere kreisförmige Scheibe einer schwarzen Kurve angenähert werden. Ab einem bestimmten Punkt trat auch hier der „Schwarzer Tropfen“-Effekt auf. Die Astronomen konnten so ihren persönlichen „Fehler“ feststellen und in der späteren „echten“ Beobachtung mit berücksichtigen.
Leuchtende Lichtringe
Unter bestimmten Umständen scheint die Venus bei ihrer Passage über die „Sonnenscheibe von einem schmalen, etwas helleren oder aber dunkleren Ring umgeben zu sein. Ein ähnlicher Effekt kann auch kurz vor oder nach dem Kontakt auftreten, wenn die Venus noch teilweise vor dem dunklen Hintergrund des Alls steht. Dann rahmt sie ein heller, sichelförmiger Lichtring ein. Auch hier gehen die Erklärungsmodelle auseinander. Während viele Astronomen eine Brechungswirkung der Venusatmosphäre „am Werk“ sehen, gehen andere auch hier wieder von einem optischen Effekt durch Linsen und Auge aus.
Nadja Podbregar
Stand: 23.05.2012