Der Venustransit ist für Planetenforscher eine willkommene Gelegenheit, mehr über unseren Nachbarplaneten zu erfahren. Gleichzeitig aber liefert er ihnen auch die Chance, wertvolle Erkenntnisse über Transits im Allgemeinen zu gewinnen – Informationen, die ihnen beim Aufspüren und Erforschen von Exoplaneten helfen.
„Dieses Ereignis ist eine einzigartige Gelegenheit, aus nächster Nähe zu beobachten, wie ein erdähnlicher Planet vor seinem Stern vorüberzieht“, erklärt Thomas Widemann vom Observatoire de Paris. „Wenn die Venus ein extrasolarer Planet wäre, was würden wir dann aus unseren Beobachtungen über ihre Merkmale lernen? Was würden wir richtig oder falsch interpretieren?“ Widemann und seine Kollegen wollen den Venustransit nutzen, um unter anderem die spektrale Signatur des Planeten genau zu analysieren und zu testen, wie gut die daraus gezogenen Rückschlüsse über die Atmosphäre der Venus mit den Daten von Sonden übereinstimmen. Acht Koronografen, die an verschiedenen Standorten, darunter Spitzbergen, Australien, im Nahen Osten und an der US-Westküste aufgestellt sind, sollen die nötigen Beobachtungen ermöglichen.
Aureole verrät Atmosphärenstruktur
Besonders gut lässt sich die Atmosphäre unseres Schwesterplaneten beobachten, wenn die Venus gerade am Rand der Sonne auftaucht. Das Sonnenlicht wird bei diesem ersten Kontakt von der Atmosphäre gebrochen und bildet einen dünnen Lichtring, die Aureole, um die Venus. Weil dieses Phänomen zehn bis 100 Mal schwächer ist als das Licht der Sonnenscheibe, lässt sie sich nur in dem kurzen Moment beobachten, bevor die Venus vollständig vor der Sonne steht. Unter anderem deshalb wurde die Aureole der Venus auch erst 2004 zum ersten Mal fotografiert. „Wir wussten bis 2004 nicht, dass die Aureole direkt beobachtet werden kann und dass sie wissenschaftlichen Wert hat“, erklärt Paolo Tanga vom Observatoire de la Côte d’Azur. Aus drei Sätzen Beobachtungsdaten von 2004 habe man erstmals ein Modell der Aureole erstellt.
Aus der Helligkeit und Dicke der Aureole können Planetenforscher auf die Dichte und Temperatur in der Venusatmosphäre schließen und auch die Höhe der verschiedenen Atmosphärenschichten über der Wolkendecke des Planeten bestimmen. Diese Daten sollen unter anderem dabei helfen, zu ergründen, ob die schnellen Veränderungen, die die Raumsonde Venus Express in der Atmosphäre der Venus feststellte, zeitlicher oder räumlicher Natur sind. „Während des Transits können wir die Temperaturstruktur simultan von Pol zu Pol messen und diese Werte mit denen der Sonde Venus Express vergleichen“, erklärt Widemann.
Wie der Forscher erklärt, lässt sich an den Transitereignissen in unserem Sonnensystem auch der technische Fortschritt der Menschheit ablesen: Im 18. Jahrhundert ermöglichten die damals neuen Pendeluhren erstmals das genauere Zeitmessen beim Venustransit und daraus errechneten Astronomen die astronomische Einheit – die Entfernung der Erde zur Sonne. Im 19. Jahrhundert wurden die ersten Fotografien eines solchen Ereignisses möglich. „Jetzt, im 21. Jahrhundert können wir dieses Phänomen erstmals gleichzeitig aus dem All und von der Erde aus beobachten“, sagt Widemann.
Nadja Podbregar
Stand: 23.05.2012