Der Venus-Transit am 6. Juni 2012 ist ein echtes Jahrhundertereignis: Selbst wenn man die nächsten hundert Jahre ununterbrochen die Sonne anstarren würde, einen Transit des „Morgensterns“ würde man nicht zu Gesicht bekommen, denn der nächste folgt erst im Jahr 2117. Blickt man allerdings in die Vergangenheit, ist der letzte Transit noch gar nicht so lange her: Er ereignete sich vor acht Jahren, im Juni 2004. Aber warum sind die Abstände dieser Ereignisse so ungleich? Warum liegen einmal mehr als hundert Jahre, dann wieder nur acht dazwischen?
Damit ein Transit überhaupt stattfindet, muss der innere Planet, in diesem Fall die Venus, an irgendeinem Punkt ihrer Bahn genau in einer Linie zwischen Sonne und Erde stehen. Eine Chance dafür besteht jedoch nur alle 1,6 Jahre, denn mit einer Umlaufzeit von nur 224,7 Tagen ist die Venus doch erheblich schneller als die Erde mit ihren 365,25 Tagen. Weil zudem die Ekliptik von Erde und Venus um den kleinen aber entscheidenden Winkel von 3° 24‘ gegeneinander geneigt ist, steht die Venus an vielen dieser Konjunktionen nicht in Höhe der Erdbahn sondern etwas darunter oder darüber.
Die Knoten sind entscheidend
Nur an zwei Stellen der Umlaufbahnen, den so genannten Knotenpunkten, treffen sich Erd- und Venusorbit in einer Ebene. Und nur wenn eine Konjunktion genau an diesen Punkten stattfindet, besteht die Chance für einen Venustransit. Je nachdem, ob die Venus die Erdbahn dabei von „unten“ (Süden) schneidet oder von „oben“ sprechen die Astronomen von einem „aufsteigenden“ oder einem „absteigenden“ Knoten.
Wann das der Fall ist, beobachteten schon die Babylonier. Das bezeugen in Keilschrift verfasste Kalendarien auf Tontafeln noch heute. Ihnen fiel auf, dass das hellste Himmelslicht nach Sonne und Mond zwar im Laufe der Zeit wanderte, aber alle acht Jahre etwa an der gleichen Stelle des Himmels zu finden war. Da die Venus in der babylonischen Religion für die Liebes- und Kriegsgöttin Ishtar stand, nannten sie diese regelmäßige Wiederkehr die Ishtar-Periode.
Wenn aber die Ishstar-Periode einer Konjunktion an einem Knotenpunkt entspricht, und die Position der Venus wirklich immer gleich ist, müsste rein theoretisch ein Venus-Transit daher entweder alle acht Jahre stattfinden – oder aber nie. Stattdessen aber findet sich ein seltsam sprunghaftes Muster: Auf einen Transit im Dezember 1631 folgt ein zweiter nur acht Jahre später ebenfalls im Dezember. Dann aber klafft eine Lücke von 121,5 Jahren und es ist erst im Juni 1761 wieder soweit, dann allerdings wiederum gefolgt von einer nur achtjährigen Pause bis zum Juni 1769. Dann wieder eine lange Lücke von diesmal 105 Jahren, bis dann der ganze 243-jährige Zyklus in der Abfolge von 8; 105,5; 8; 121,5 Jahren wieder von vorn beginnt. Wie ist diese regelmäßig-unregelmäßige Abfolge zu erklären?
„Ishtar“ geht vor
Des Rätsels Lösung ist eine kleine Unregelmäßigkeit in der Ishtar-Periode: Sie geht um 2,46 Tage vor. In Wirklichkeit steht die Venus deshalb schon nach weniger als acht Jahren wieder an der gleichen Himmelsstelle relativ zur Sonne – aber nicht unbedingt auch direkt im Knotenpunkt mit der Erdbahn. Nach einem exakten „Treffer“, von der Erde aus als Transit zu beobachten, eiert die Venus daher zunächst mehrere Male um den Knotenpunkt herum, bis sie endlich wieder mit der ausreichenden Genauigkeit von maximal vier Grad Abweichung vorüberzieht.
Wegen der elliptischen Bahnform beider Orbits und der Verschiebungen ergibt sich letztendlich ein Muster, bei dem jeweils zwei Transits am gleichen Knotenpunkt ein Paar bilden, das nur acht Jahre auseinander liegt. Auf den Venustransit im absteigenden Knoten am 08. Juni 2004 folgt daher der jetzige bereits am 06. Juni 2012. Nach einem solchen Paar wechselt allerdings der Knotenpunkt – und das dauert: Erst nach 105,5 Jahren treffen sich Erde und Venus wieder zum nächsten Paar, am 11. Dezember 2117 und am 08. Dezember 2125. Der Wechsel zurück zum absteigenden Knotenpunkt dauert sogar noch länger, 121,5 Jahre. Erst dann stehen alle Planeten wieder an exakt den gleichen Positionen wie heute und das Zeitmuster der Transits beginnt von vorne.
Keine Paarung hält ewig
Doch auch das das achtjährige Paarmuster ist keineswegs für die Ewigkeit gemacht, im Gegenteil: Gegen Ende des dritten Jahrtausends wird es nur noch Einzel-Transits geben. Der Grund: Die Knotenpunkte der Bahnen haben sich bis dahin so verschoben, dass die Konjunktionen fast genau im Bahnknoten verlaufen. Die Venus wandert daher bei diesen Transits fast genau durch die Mitte der sichtbaren „Sonnenscheibe“. Dafür allerdings klappt es weder acht Jahre früher noch später, weil bei diesen beiden Terminen die Venus knapp außerhalb des sichtbaren Winkels vorüberzieht.
Nadja Podbregar
Stand: 23.05.2012