Es befindet sich mitten im Atlantik, es liegt gut 5.000 Meter unter der Wasseroberfläche und ist über 20.000 Quadratkilometer groß: Ein auffälliges Sammelsurium von Linien, das vage an ein Schachbrettmuster oder an eine überdimensionale Streichholzschachtel erinnert.
Gefunden hat diese seltsame Struktur rund 1.000 Kilometer vor der afrikanischen Küste der britische Luftfahrtingenieur Bernie Bamford. Aber nicht etwa an Bord eines Forschungsschiffes oder sogar eines Tauchbootes, sondern im „stillen Kämmerlein“ am Computer. Genauer gesagt mit Hilfe von Google Earth’s Unterwasser-Tool Google Ocean. Damit ist es unter anderem möglich, Unterwasserreliefs in 3D-Ansicht zu erkunden.
Ein Ding von Menschenhand
Bamford glaubte sofort zu wissen, dass er etwas Unnatürliches entdeckt hatte: „Es sieht aus wie eine Luftaufnahme von [der Stadt] Milton Keynes“, so Bamford. „Das muss von Menschenhand gemacht sein.“ Schnell interessierten sich auch die britischen Medien für das merkwürdige „Ding“. Denn sie witterten sofort eine Sensation: Waren dies die Überreste des angeblich vor rund 12.000 Jahren versunkenen und seitdem verschollenen Atlantis?
Die Gerüchteküche brodelt
Die Lage jedenfalls passte. Ziemlich genau dort hatte der Atlantis-„Erfinder“, der griechische Philosoph Platon, das Inselreich angesiedelt. Und auch das von den Zeitungen veröffentlichte Bild war in der Tat vielversprechend. Es zeigte Linien, die nicht nur gerade wie mit einem Lineal gezogen waren, sondern meist auch noch rechtwinklig miteinander verwoben. Handelte es sich dabei um gewaltige Stadtstrukturen aus der Atlantis-Ära? Oder um riesige Kanäle?
Die Gerüchteküche brodelte, die Medienberichte häuften sich. Entsprechend groß war die Aufregung in der Öffentlichkeit, aber natürlich auch unter den professionellen und den unzähligen selbst ernannten Atlantis-Forschern. Doch der ganze Spuk endete ebenso schnell, wie er gekommen war.
Denn das US-Unternehmen Google gab am 21. Februar 2009 ein ebenso kurzes wie nüchternes Statement heraus, dass das rätselhafte Phänomen auf simple Art und Weise erklärte: „Es ist richtig, dass viele erstaunliche Entdeckungen durch Google Earth gemacht worden sind, darunter ein unberührter Wald in Mosambik, der zuvor unbekannte Arten enthält und die Relikte einer römischen Villa. In diesem Fall aber ist das, was Nutzer sehen, ein Artefakt des Datensammelprozesses.“
Pleiten, Pech und Pannen
Bathymetrische Daten würden oft, so Google, von Schiffen mit Sonar ermittelt, die Messungen des Meeresbodens durchführen. „Die Linien reflektieren die Routen der Schiffe, auf denen sie die Daten gesammelt haben.“ Wie ein Unternehmenssprecher weiter betonte, kann man ähnliche Gitternetzlinien überall dort finden, wo der Ozeanboden bereits komplett kartiert worden ist, etwa in der Nähe von Hawaii.
Nichts war es also mit Atlantis – wieder einmal. Denn die Suche nach dem untergegangenen Inselreich hat sich längst zu einer unendlichen Geschichte voller Pleiten, Pech und Pannen entwickelt. Doch wie muss man sich das sagenhafte Atlantis und das Leben der Menschen genau vorstellen? Und warum versank es irgendwann im Meer?
Dieter Lohmann
Stand: 25.03.2011