„Troja ist identisch mit der legendären versunkenen Stadt Atlantis“: Mit dieser ebenso provokanten wie überraschenden Aussage sorgte der Geoarchäologe Eberhard Zangger zu Beginn der 1990er Jahre weltweit für Furore. In Bücher wie „Atlantis – Eine Legende wird entziffert“ oder „Ein neuer Kampf um Troja“ vertritt er die Meinung, dass Platons Atlantis-Geschichte eine stark verzerrte Variante der Vernichtung Trojas durch die Allianz der Griechen darstellt, wie sie der griechische Dichter Homer in seinem Epos Ilias beschreibt.
Viele Parallelen?
In seinen Gedankenspielen hat Zangger Schritt für Schritt versucht, die seiner Meinung nach vorhandenen Ähnlichkeiten von Atlantis und Troja zu veranschaulichen. „Atlantis war in konzentrischen Ringen um den zentralen Palast- und Tempelbezirk angelegt. Auch die Verteilung der Soldaten erfolgte kreisförmig entsprechend ihrem Status und ihrer Zuverlässigkeit. Troja: Der bereits bekannte innere Bezirk von Troja war kreisförmig aufgebaut. Die königlichen Residenzen der sechsten Stadt – bezeichnenderweise von mehreren Adligen – standen auf ringförmigen Terrassen“, nennt die Website zanger.org eines der wichtigsten Beispiele aus der Argumentation des Geoarchäologen. Wie Atlantis verfügte Troja laut Zangger zudem ebenfalls über zwei Quellen und es gab an beiden Orten ein bizarres Stierritual.
„Wenn man sich einfach nur auf die Idee einlässt, dass Troja Atlantis sein könnte, dann bedeutet das, dass Platons Beschreibung der Stadt uns jede Menge Anregungen liefert, wie Troja ausgesehen haben könnte. Und demnach muss Troja ganz anders ausgesehen haben, als man sich das bisher vorgestellt hat. Es muss eine größere Stadt gewesen sein, die sich ausdehnte weit in die Ebene hinein. Und dort in der Ebene von Troja unter dem Auelehm liegt ein größerer Teil dieser Stadt noch verborgen, einschließlich der Hafenanlagen, der technischen Einrichtungen, der Pferderennbahn und so weiter“, so Zangger.
Widersprüchliche Meinungen
Doch seine Theorie war von Anfang an höchst umstritten. Denn sie beruhte auf einer ganzen Reihe „hätte“, „wenn“ und „aber“. So ist bis heute beispielsweise unklar, ob es die Zerstörung Trojas in der von Homer beschriebenen Form überhaupt gegeben hat. Trotz der Entdeckung einer ausgedehnten Unterstadt unterhalb der Akropolis von Troja weiß bis heute zudem niemand, wie groß die historische Stätte wirklich war – und welche Bedeutung sie als Seehandelsstadt und militärisch besaß.
Professor Christopher Mee von der School of Archaeology, Classics and Egyptology der Universität Liverpool hält Zanggers Sicht der Dinge trotzdem für eine geniale und anregende Hypothese. Der Vorschlag, Zanggers Atlantis sei Troja, sei „völlig plausibel“. Die Zangger Kritiker sehen dies indes völlig anders. Sie halten ihn für einen Provokateur und für einen Eiferer in eigener Sache.
Besessen von der eigenen Theorie?
Ernst Pernicka, Professor für Archäometrie an der Universität Tübingen und seit 2006 Chefausgräber in Troja, formuliert es im Interview mit „bild der wissenschaft“ so: „Ehe er seine Hypothese als Buch ‚Atlantis, eine Legende wird entziffert‘ veröffentlichte, hatte ich an ihn appelliert, er möge etwas vorsichtiger formulieren. Wer Zanggers Buch liest, merkt, dass seine Hypothese im Laufe des Textes zur Theorie wird. Von dieser war er später geradezu besessen und hat nur noch die ihm genehmen Hinweise verfolgt. Wissenschaftlich solide sind Untersuchungen nur, wenn alle möglichen Quellen herangezogen werden – auch solche, die der eigenen Überzeugung widersprechen, wie unsere Bohrprofile rund um Troja.“
Dieter Lohmann
Stand: 25.03.2011