Ebenfalls geographisch weit weg von Platons Beschreibung, nach der Atlantis jenseits der Säulen des Herkules im Atlantik lag, bewegen sich Siegfried und Christian Schoppe bei ihrer Suche nach dem versunkenen Inselreich. Vor einigen Jahren haben der Wirtschaftswissenschaftler und der Steuerfachmann in einem Buch eine aus eigener Sicht eindeutige Verbindung zwischen Atlantis und einer Überflutung des Schwarzen Meeres vor rund 8.000 Jahren hergestellt. Letztere gilt auch als ein möglicher Kandidat der biblischen Sintflut.
Die Schoppes berufen sich in ihrer so genannten „Atlantis-Sintflut-Theorie“ oder Schwarzmeerhypothese unter anderem auf eine Veröffentlichung der U.S.- amerikanischen Geologen William Ryan und Walter Pitman vom amerikanischen Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University. Danach war das Schwarze Meer in der Zeit vor etwa 115.000 bis 10.000 Jahren ein großer Süßwassersee und durch den damals trocken gefallenen Bosporus von Marmara- und Mittelmeer getrennt.
„Wasserfall“ füllt Schwarzes Meer
Mit dem Abschmelzen der mächtigen polaren Eiskappen und dem darauf beruhenden Anstieg des weltweiten Meeresspiegels kam es nach Ende der letzten Eiszeit dann zu einem enormen Wasserdruck auf den natürlichen Damm, der die Meerenge Bosporus bis dahin verschlossen hielt. Irgendwann brach dann das Hindernis und wie ein gewaltiger Wasserfall ergoss sich das Meerwasser in den 50 Meter tiefer gelegenen See. Alles, was sich den Fluten in den Weg stellte, wurde mitgerissen und verschwand im sich immer weiter auffüllenden Schwarzen Meer – zahlreiche steinzeitliche Siedlungen höchstwahrscheinlich inklusive.
Ein vom Berner Wissenschaftler Mark Sidall entwickeltes Computermodell bestätigte 2004 diese Theorie eindrucksvoll. Er konnte damit sogar berechnen, wie viel Wasser bei dem Dammbruch ins Schwarze Meer gestürzt sein muss: über 60.000 Kubikmeter – pro Sekunde. Zum Vergleich: Das entspricht mehr als dem 20-fachen der Niagarafälle. Dennoch dauerte es Sidall zufolge 33 Jahre bis der Einstrom zu Ende war und sich der Wasserspiegel der Meere angeglichen hatte.
Atlantis doch keine Fiktion?
Siegfried und Christian Schoppe gehen nun davon aus, dass in den nordwestlichen Küstengebieten vor der Sintflut auch eine ziemlich hoch entwickelte Zivilisation existiert haben muss. In ihrem Buch kommen sie zu dem Schluss: „Die Atlantissage ist keine Fiktion und keine reine Erfindung der Phantasie. Das Zentrum von Atlantis ist bis auf die Schlangeninsel im Schwarzen Meer versunken. Allerdings war Atlantis nicht auf dem hohen technischen Stand, den die Sagen später hinzu gedichtet haben.“
Stimmen ihre Überlegungen, müsste vielleicht sogar die Menschheitsgeschichte zum Teil neu geschrieben werden. Denn dann hätte es schon lange vor den bisher bekannten Hochkulturen um 3.000 vor Christus in Ägypten oder Mesopotamien eine weitgehend vergleichbare am Schwarzen Meer gegeben.
Flut weniger schlimm als gedacht?
Doch die Atlantis-Sintflut-Theorie hat wie viele andere Atlantis-Hypothesen ein großes Manko: Auch hier fehlen die handfesten archäologischen Beweise. Zudem relativiert mittlerweile eine neue Studie aus dem Jahr 2009 das von Ryan und Pitman entworfene Szenario deutlich und datiert es zudem auf 9.400 Jahre vor heute.
Wie die Wissenschaftler um den Meeresgeologen Liviu Giosan vom Woods Hole Oceanographic Institute darin berichten, lag der Wasserspiegel im Schwarzen Meer vor der Flut viel höher als bisher gedacht. Folgerichtig stürzte auch viel weniger Wasser mit deutlich geringerer Wucht über den Bosporus auf den Festlandssockel rund um das Schwarze Meer. Entsprechend geringer waren vermutlich auch die Folgen für Mensch und Natur.
Dieter Lohmann
Stand: 25.03.2011