Sankt Petersburg, Anfang 1869. Seit Wochen schon hat sich Dmitri Mendelejew, inzwischen Professor für reine Chemie an der Universität von Sankt Petersburg, in seinem Büro verschanzt. Außer für seine Vorlesungen hat er für nichts mehr Zeit. Nicht für seine Frau und die beiden Kinder, nicht für abendliche Besuche im Theater oder Ballett und auch nicht für den Friseur. Er arbeitet. Wie viele seiner Zeitgenossen ist er der Grundordnung der Elemente auf der Spur – und er ist ganz dicht dran, das spürt er.
Eine Frage der Bindungsfähigkeit
Ähnlich wie John Newlands hat auch Mendelejew längst erkannt, dass es eine Verbindung zwischen den Atomgewichten und den Eigenschaften der chemischen Elemente geben muss. Doch im Gegensatz zu diesem berücksichtigt er noch einen weiteren Faktor: die Valenz oder Wertigkeit. Diese 1852 von Edward Frankland entdeckte Eigenschaft von Elementen gibt an, wie groß ihre Bindungsfähigkeit beispielsweise mit Wasserstoffatomen ist. Oder anders ausgedrückt: Wie viele „freie Ärmchen“ jedes Atom besitzt, um sich damit mit anderen zusammenzulagern.
Mendelejew ordnet die Elemente zunächst wie Newlands als Reihe aufsteigender Atommasse. Dann jedoch betrachtet er die Valenzen und stellt dabei fest, dass auch diese sich periodisch zu wiederholen scheinen: Von Lithium bis Fluor steigen sie von eins bis sieben an, dann jedoch beginnt Natrium wieder bei eins und die Valenzen steigen erneut bis Chlor. Dann allerdings endet das Siebener-Schema: Die nächste Periode ist bereits deutlich länger – offenbar weicht das Elementverhalten spätestens hier vom starren Oktaven-Schema Newlands ab.
Kartenspiel mit Elementen
Aber welchem Schema entsprechen die Elemente dann? Genau dies ist die Frage, die Mendelejew auch im Februar 1869 umtreibt, als ihn ein Freund in seinem Büro an der Universität besucht. Der hohlwangigen, rotäugigen Gestalt mit völlig verwilderten Haaren und Bart gegenüberstehend, fragt dieser ihn entsetzt, woran er denn arbeite. Mendelejew erklärt, dass er zwar das die Existenz eines periodischen Systems der Elemente entdeckt habe, aber es einfach nicht schaffe, ein dazu passendes Tabellenschema und ein Gesetz zu formulieren. „In meinem Kopf kommt alles zusammen, aber ich kann es nicht ausdrücken“, so der erschöpfte Chemiker.
Doch Mendelejew gibt nicht auf. „Wenn man nach etwas sucht – seien es Pilze oder eine Art von Gesetz – gibt es keinen anderen Weg als immer wieder zu schauen und erneut zu versuchen“, konstatiert er später. Sein wichtigstes Werkzeug für diese Versuche ist nicht etwa ein Bunsenbrenner oder ein anderes chemisches Hilfsmittel, sondern ein Stapel einfacher Pappkärtchen. Auf jedes von ihnen schreibt er ein Element mit Atommasse und den prägendsten Eigenschaften einschließlich der Valenzen. Die Karten schiebt er dann so lange auf seinem Tisch herum, bis sie – endlich – ein System ergeben.
Sieben Gruppen sollt ihr sein
Plötzlich scheint alles ganz einfach: Die Elemente bilden sieben Gruppen, die jeweils senkrecht untereinander Stoffe mit ähnlichen Eigenschaften vereinen. Diese Gruppen sind wiederum so nebeneinander angeordnet, dass in den Zeilen – den Perioden – des Systems die Atommassen und Valenzen der Elemente aufsteigen. Den Anfang machen die Alkalimetalle, gefolgt von der Gruppe der Erdalkalimetalle. Dann folgen die „Erdmetalle“ angeführt von Bor, die Kohlenstoff-, die Stickstoff- und die Sauerstoffgruppe. Den Abschluss bilden die Halogene mit Fluor, Chlor, Brom und Iod.
Für Mendelejew ist jetzt klar: So und nicht anders muss das Grundprinzip der Element-Ordnung aussehen. Auf den ersten Blick allerdings, scheinen auch bei ihm einige Ausreißer das Bild zu stören…
Nadja Podbregar
Stand: 18.02.2011