„Ich arbeite seit zehn Jahren im ‚Tissue Engineering‘ und finde es sehr schade, wie wenig Produkte bisher auf den Markt gekommen sind“, sagt Professorin Heike Walles, die das Projekt „Tissue-Fabrik“ initiiert hat. „Das Problem ist, dass sich die Produkte bisher nicht standardisiert fertigen lassen, weil vieles manuell abläuft. Das macht die Herstellung auch sehr teuer“, erläutert die Leiterin der Abteilung Zellsysteme am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart. Ihre Lösung: Gewebe automatisiert züchten.
Nahtlose Automatisierung
„Die nahtlose Automatisierung aller Prozessschritte ermöglichte die Einführung produktionstechnischer und wirtschaftlicher Maßstäbe wie reproduzierbare Qualität, Durchsatz und Kostenoptimierung im Hautmodellaufbau“, betont Walles.
Das automatisierte Verfahren eignet sich nicht nur für die Fertigung von Hautmodellen zu Testzwecken, sondern auch für die Transplantationsmedizin: Bei großen Brandverletzungen benötigen die Ärzte gesundes Gewebe, um die zerstörten Hautpartien zu ersetzen. Wissenschaftler des IGB arbeiten an einem Vollhautmodell samt Blutgefäßen.
Künstliche Haut für Transplantationen
Wenn die Forschung abgeschlossen ist, sollen sich die Transplantate ebenfalls vollständig automatisiert produzieren lassen. Die Anlage wurde so konzipiert, dass sie die hohen Standards der Good Manufacturing Practices – kurz GMP – berücksichtigt. Diese Vorschrift gilt für die Herstellung von Produkten, die in der Medizin eingesetzt werden. Damit könnte sich die Anlage in Zukunft auch nutzen lassen, um künstliche Haut für Transplantationen zu gewinnen.
Aber die Wissenschaftler wollen mit der Fabrik nicht nur Haut herstellen. Die Technologie soll in den kommenden zwei Jahren so weiterentwickelt werden, dass sich damit auch andere Gewebe wie zum Beispiel Knorpel automatisch fertigen lassen.
Gewebe aus pluripotenten Stammzellen
Außerdem haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig ein Verfahren entwickelt, um induzierte Pluripotente Stammzellen (iPS) herzustellen. Aus diesen Stammzellen könnten künftig in der Tissue-Fabrik unterschiedliche Gewebe gezüchtet werden.
„Uns war es wichtig, dass sich der gesamte maschinelle Ablauf in einzelne Module unterteilen lässt“, betont Dr. Michaela Kaufmann vom IGB. „So können wir einzelne Module entsprechend den Anforderungen zur Herstellung unterschiedlicher Gewebe austauschen oder verändern.“ Schon seit einigen Jahren werden erste Patienten mit Haut und Knorpel aus der Retorte behandelt. Der Vorteil dieser Gewebe: Sie sind relativ einfach aufgebaut.
Weit schwieriger ist es, komplexere Gewebe oder Organe wie Leber oder Niere zu züchten, die über ein feines Gefäßsystem verfügen und aus unterschiedlichen Zelltypen aufgebaut sind. Eine weitere Herausforderung: Die Zellen müssen eine dreidimensionale Struktur bilden.
Birgit Niesing / Fraunhofer-Magazin weiter.vorn
Stand: 27.01.2011