Die gehackten E-Mails bringen nicht nur die Hockeystick-Grafik in Misskredit. Auch eine weitere grundlegende Klimastudie – und ein beliebter Angriffspunkt von Klimaskeptikern – gerät ins Kreuzfeuer der Kritik. In dem 1990 in „Nature“ erschienenen Paper belegen Phil Jones und sein Koautor Wei-Chyung Wang, dass der so genannte Wärmeinsel-Effekt der Städte keine verfälschende Auswirkung auf die festgestellte globale Erwärmung hat.
Die Sache mit dem Wärmeinsel-Effekt
Unter dem Wärmeinsel-Effekt verstehen Klimaforscher die Tatsache, dass in größeren Städten im Durchschnitt höhere Temperaturen herrschen als im ländlichen Umland. Ursache dafür ist unter anderem die gute Wärmespeicherung von Beton und Stein gegenüber der eher abkühlend wirkenden Vegetation. Gerade in der „Blütezeit“ der Klimaskeptiker, den frühen 1990er Jahren, vertraten diese die Ansicht, dass genau dieser Effekt – und nicht ein menschengemachter Klimawandel – für die vermeintlich ansteigenden Temperaturwerte verantwortlich sein müsse. Denn, so die Argumentation, die meisten Messstationen stünden heute in dichter besiedelten und daher eher dem Wärmeinsel-Effekt ausgesetzten Gebieten.
Die Studie von Jones liefert einen der wichtigsten Belege gegen diese Argumentation. Basierend auf Daten chinesischer Wetterstationen zeigt der Forscher, dass der Temperaturanstieg des 20. Jahrhunderts sowohl in städtischen wie auch in ländlichen Gegenden nachweisbar ist. Zur Auswahl seiner Stationsdaten erklärt er in der Veröffentlichung: „Wir wählten diejenigen mit wenig oder keinen Veränderungen in Instrumentierung, Ort oder Beobachtungszeiten.“
Falschaussage zu Stationsdaten?
Der gehackte E-Mail-Verkehr von Jones und seinen Kollegen enthüllt jedoch, dass genau diese entscheidenden Angaben zur Datenbasis offenbar nicht korrekt waren. Der Amateur-Klimatologe Doug Keenan wirft den Forschern vor, bewusst verheimlicht zu haben, dass zahlreiche der aufgelisteten Stationen ihre Standorte durchaus verändert haben. Nach Ansicht von Keenan – der eher dem Skeptikerlager nahesteht – stellt dies schlimmstenfalls die Grundaussage der Studie komplett in Frage, bestenfalls überführt es Jones und Co. der Lüge. Genau dies behauptet er auch belegen zu können und reicht im Sommer 2007 ein entsprechendes Manuskript bei der Fachzeitschrift „Energy and Environment“ ein. Gleichzeitig beantragt er eine Prüfung auf wissenschaftliches Fehlverhalten an der University of Albany, der Heimatuniversität von Wang.
Jones gerät daraufhin in Panik. Denn die Stationsdaten, die er und Wang unter der Hand von einem inzwischen in Ruhestand getretenen chinesischen Kollegen erhalten haben, sind zu diesem Zeitpunkt auch für sie nicht mehr erreichbar. Ihre eigenen Rohdaten sind verloren gegangen und die chinesischen Behörden geben offiziell nichts heraus.
Hektischer Mailwechsel
Wang beruhigt ihn in einer Mail: „Keenan fängt sich jetzt selbst in einer Falle, indem er darauf setzt, dass die Geschichte der Stationen nicht verfügbar ist und behauptet, die Stationen hätten sich stark verändert – was er nicht genau wissen kann. Wir stehen hier einer trickreichen Person und Gruppierung gegenüber. Der einzige Weg ist, die korrekten Prozeduren einzuhalten, um sie verrückt zu machen.“
Wenig ermutigend ist allerdings, dass Tom Wigley, Forscher an der University Corporation for Atmospheric Research (UCAR) und einer der führenden Experten für Klimadatenanalyse, in einer Mail an Jones durchaus Substanz in den Vorwürfen von Keenan sieht: „Mir scheint, dass Keenan da einen gültigen Punkt hat. Die Statements in den Publikationen, die er zitiert, scheinen inkorrekt zu sein und jemand – zumindest Wei-Chyung Wang – muss gewusst haben, das sie nicht korrekt waren.“
Grundaussage korrekt, Verhalten fragwürdig
Jones verteidigt sich gegen diesen Vorwurf: Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass sich die Standorte der Stationen geändert hatten. Zudem hätten sie nie behauptet, dass sich die Stationen überhaupt nicht verändert hätten, sondern hätten nur erklärt, dass sie diejenigen mit den geringsten Änderungen ausgewählt hätten. Doch da bis heute die Rohdaten der Studie nicht aufzutreiben sind, wirft der gesamte Vorfall ein denkbar schlechtes Licht auf die Integrität der Forscher, auch wenn die Prüfung durch das Komitee gegen wissenschaftliches Fehlverhalten an der University of Albany keine Verurteilung ausspricht.
Doch in einem Punkt erreicht der Klimaskeptiker Keenan sein Ziel nicht: Die Grundaussage der umstrittenen Studie kann er nicht dauerhaft in Zweifel ziehen. Sie wird 2008 durch eine im „Journal of Geophysical Research“ erscheinende Nachfolgestudie bestätigt: Auf Basis eines neuen, diesmal auch als Rohdaten erhaltenen Datensatzes belegt Jones gemeinsam mit zwei Kollegen erneut, dass der Wärmeinsel-Effekt der Städte keinen verfälschenden Einfluss auf die gemessenen Klimatrends hat.
Nadja Podbregar
Stand: 10.12.2010